Was war das doch für ein schöner Abend! Auf dem Weg Richtung Süden wirken die Eindrücke der „Camus-Revue“ noch lange nach. Wie es aus Sicht der Zuschauer im mit 600 Menschen voll besetzten Sendesaal aussah oder sich am Radio anhörte, kann ich natürlich nicht sagen. Aber als Beteiligte hat es jedenfalls großen Spaß gemacht. Es gab interessante und schöne Begegnungen in der Runde und hinter der Bühne, viele Freundlichkeiten, ein paar Eitelkeiten, Beeindruckendes, Anregendes und Überraschendes. Dass ich mich unversehens in der Rolle von Camus in eine Diskussion mit Sartre verwickelt sehen würde, hatte ich mir zum Beispiel vorher ganz gewiss nicht vorgestellt. Hut ab vor der Spontaneität und dem Mut des Moderators! Hätte ja auch schief gehen können. Jürgen Wiebicke aber steuerte alle Beteiligten souverän durch diese zwei Stunden, die wirklich im Fluge vergangen sind. Dabei hätte ich vor allem den wunderbaren Stimmen von Christian Brückner und Martin Reinke noch viel, viel länger zuhören können. Für mich ist es immer wieder verblüffend, wie neu und anders man bestens vertraute Texte hört, wenn so hervorragende Schauspieler ihnen einen Körper und eine Stimme verleihen.
Viele verschiedene Seiten des Werks und des Menschen Albert Camus sind zur Sprache gekommen – und an so ziemlich allen Stellen hätte es noch so viel mehr zu sagen, einzuhaken, zu vertiefen gegeben… Klar, dass in so einem Rahmen dafür kein Platz ist. Aber vielleicht (ich glaube sogar: ganz bestimmt) hat es den einen oder die andere der Zuhörer dazu bewegt, sich demnächst (wieder) einmal mehr mit Camus zu beschäftigen.
Eine kleine Überraschung für alle gab es zu Beginn des Abends, als Jürgen Wiebicke eine Grußbotschaft von Catherine Camus vorlas. Überbracht hatte sie Dieter Buttgereit, der mit der Tochter Camus’ seit langem freundschaftlich verbunden ist, und mit dessen freundlicher Erlaubnis ich diese hier noch einmal wiedergeben darf:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Cher amis de la pensée camusienne,
es hat mich gefreut zu erfahren – und ich bin den Organisatoren dafür sehr dankbar – dass der größte Rundfunksender Deutschlands (der WDR) im Jahr des 100-jährigen Geburtstages von Albert Camus eine philosophische Revue zu Ehren meines Vaters veranstaltet. Ich wünsche Ihnen allen – den Organisatoren, dem Podium und den Zuhörern – zwei Lebensstunden, in denen Sie am Glück des Sisyphos teilhaben können. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich aufgrund meiner zahlreichen Verpflichtungen im Camus-Jahr 2013 ihre Einladung zu dieser Sendung nicht wahrnehmen kann.
Avec ma solidarité camusienne
Catherine Camus
P.S.: Sollte irgend jemand hier mitlesen, der ein besseres als das obige Handy-Foto geschossen hat: Ich würde mich freuen, es hier veröffentlichen zu dürfen. Post bitte an info@365tage-camus.de. Merci!
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe leider weder die Veranstaltung sehen, noch hören können.
Und doch bin ich ein wenig erstaunt über die Posts.
2 Stunden Radio ist nichts, und in 2 Stunden Radio kann man leider Punkte nur anreissen, anschneiden, einen schnellen Blick werfen. Bevor man hinschaut, allerdings, muss der Blick auch schon wieder weiter.
Denn Radio hat breit gefächertes Publikum, ist keine Seite schwarz auf weiss, die man wieder und wieder lesen kann. Kurzum, Radio muss breites Publikum bedienen.
Ich möchte gar behaupten, dass ein solcher Beitrag nicht einmal den Anspruch hat in die Tiefe zu gehen, sondern anstrebt Neugier zu wecken.
Man kann Camus nicht in 2 Stunden kennen lernen.
Unmöglich!
Aber man kann neugierig werden.
Man kann Camus facettenreich erleben. Aber man muss Camus erst einmal lesen, um überhaupt mitsprechen zu können.
Ja, liebe Dr. Anne-Kathrin Reif
vielleicht hat dieser Abend dazu beigetragen, dass sich Menschen wieder einmal mehr mit Camus beschäftigen.
Aber auch hier möchte ich Realist bleiben. In der Zeit des Ipods befürchte ich, dass Sie viel Grösseres geleistet haben: dass Menschen sich erstmals mit Camus beschäftigen.
Wenn der Abend Ihnen Spass gemacht hat, dann mag sich das auf Ihre Zuhörer übertragen. So Gott will, fragt der eine oder andere demnächst im Buchhandel: „Haben Sie auch was von Camus?“
…und dann können wir beginnen…über ihn nachzudenken. Aber erst dann, wenn wir ihn alle gelesen haben.
Danke für diesen wundervollen Blog!
Nicole Nau
Liebe Nicole Nau,
genau so sehe ich das auch! Ganz herzlichen Dank für diese Replik – und viel Freude weiterhin beim Entdecken von Camus!
Sehr geehrte Frau Reif
… aus der Sicht eines Zuschauers und häufigen Zuhörers des Philosophischen Radios.
Bescheiden fand ich die Veranstaltung, nicht die einzelnen Beiträge in sich, sondern das Konzept.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, an „so ziemlich allen Stellen hätte es noch so viel mehr zu sagen, einzuhaken, zu vertiefen gegeben …“.
Dazu kann ich nur sagen, eine Frau war es, die den Konjunktiv erfunden hat.
Von mehr oder Tiefe kann nicht die Rede sein und mit Philosophie hat das wenig zu tun.
Die Camus-Revue zum 100. Geburtstag war ein Beitrag zum Global Entertainment.
Schön, dass Sie Ihren Spaß hatten.
Mit freundlichem Gruß Achim Schönmetz
Ich stimme der Einschätzung in allen Punkten zu, möchte aber noch ergänzen, dass Sie selber Wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.
RL