Gerade eben war der Postbote da. Er brachte ein großes Paket. Ich muss zugeben, dass ich während meines Landaufenthaltes hier, ohne eine Buchhandlung meines Vertrauens in der Nähe, das ein oder andere im Versandhandel bestellt habe. Heute aber erwartete ich nichts mehr, schon gar nichts von dieser Größe. Ich finde ja, es ist immer schon wie ein Geschenk, wenn zwischen Drucksachen und Rechnungen noch ein echter, handgeschriebener Brief in der Post ist. Unverhofft ein Paket geschickt zu bekommen, schlägt das aber noch mal um Längen. Beim Hantieren mit der Schere, um das zähe braune Paketband zu zerteilen und beim Aufreißen der dicken Pappe wächst das weihnachtliche Gefühl spannungsgeladener Vorfreude. Und dann ist doch tatsächlich plötzlich wieder Weihnachten oder vielmehr Advent, denn in dem Paket befindet sich eine Art Adventskalender fürs ganze Jahr, für jede Woche ein Kästchen, in jedem Kästchen Bonbons und Schokolade. Großartig.
Natürlich stellt sich wieder einmal die Frage, warum ich davon im Camus-Blog erzähle, statt diese erfreuliche Begebenheit zum Beispiel ins Tagebuch zu schreiben. Ganz einfach: Es handelt sich um einen Camus-Adventskalender. Mein Freund T. hat ihn liebevollst zusammengebastelt. Ein süßes Dankeschön dafür, dass es nun doch jeden Tag einen Blog-Eintrag gibt und Motivation dafür, dass es auch bitte schön dabei bleibt. Und weil doch neulich meine Freundin N. genau das angemahnt hatte, weil „wo 365 Tage Camus drauf steht auch 365 Tage Camus drin sein müssten“. Eben wie in einem Adventskalender.
Leider fällt mir dieses Mal beim besten Willen kein Camus-Zitat ein, das etwas mit einem Geschenk im Allgemeinen und einem Adventskalender im Besonderen zu tun hätte, und mit dem ich mich jetzt angemessen passend bedanken könnte. Aber bei der Arbeit am Kapitel über Camus’ letzten, unvollendet gebliebenen Roman Der erste Mensch begegnete mir gestern folgende Arbeitsnotiz aus dem Manuskript:
„Als ich jung war, verlangte ich von den Menschen mehr, als sie geben konnten: beständige Freundschaft, dauerhafte Zuneigung. Jetzt habe ich gelernt, weniger von ihnen zu verlangen, als sie geben können: ein Beisammensein ohne Phrasen. Und ihre Zuneigung, ihre Freundschaft, ihre noblen Gesten wahren in meinen Augen ihren ganzen Wert als Wunder: ganz und gar auf der Gnade beruhend.“ (1)
Ich widme also das heutige „Zitat des Tages“ allen, die wissen, von welchem Wert die noblen Gesten der Freundschaft sind, denen, die das Glück haben, sie hin und wieder zu empfangen, jenen, die sie großzügig verteilen und insbesondere meinem Freund T.