Dies ist eindeutig ein Beitrag aus der Rubrik „Verpasste Gelegenheiten“: Der Hinweis auf das jährliche Camus-Festival in Lourmarin, das mittlerweile schon vorbei ist. Im vergangenen Jahr hatte ich die große Freude, dort zu sein, und auch dieses Jahr gab es ein wunderbares Thema, das die Reise bestimmt gelohnt hätte – allein, es war mir nicht möglich. Warum ich es trotzdem hier noch poste, ist einfach der Tatsache geschuldet, dass dieser Blog auch ein wenig als ein Archiv der Camus-Aktivitäten und Ereignisse fungieren soll, und da darf das Festival in Lourmarin natürlich nicht fehlen. Das Thema in diesem Jahr 2024: La Fraternité – die Brüderlichkeit. Mithin so ziemlich das, wovon wir gerade auf der ganzen Welt so bitternötig so viel mehr brauchen könnten.
Wie schon im vergangenen Jahr zu erleben, haben sich die früheren Rencontres mediterranéennes Albert Camus unter der Leitung von Camus-Enkelin Élisabeth Maisondieu-Camus vom ehemals wissenschaftlich ausgerichteten Symposion zu einem Publikumsfestival mit Filmvorführung, Lesungen, Ausstellung, Workshops und Musik entwickelt. Nur ein Vormittag mit drei Vorträgen ist dem wissenschaftlichen Austausch gewidmet (siehe Programm 28. September). Auf dem Plakat sehen wir übrigens Albert Camus mit seinem Freund Michel Gallimard.
Auf der anderen Seite scheint es aus dem früheren wissenschaftlichen Kreis der Camusianer in Lourmarin eine Art Abspaltung der Rencontres zu geben, über deren Hintergrund ich nicht allzuviel weiß und deshalb nicht spekulieren möchte. Die 1res Rencontres Méditerranée vivante mit dem Thema Reliere Albert Camus fanden bereits vom 12. bis 14. September 2024 im 250 Kilometer westlich von Lourmarin gelegenen Ort Pézenas statt. Auch hier wurde David Oelhoffens Camus-Adaption Loin des hommes gezeigt, auch hier gab es eine Ausstellung (von Jacques Ferrandez), eine Lecture musicale und dazu tables rondes mit Teilnehmern wie Agnès Spiquel, Jean-Louis Meunier, Marcelle Mahasela und anderen, die man aus früheren Zeiten in Lourmarin kennt.
Vielleicht schaffe ich es ja im nächsten Jahr hier- oder dorthin und kann etwas mehr in Erfahrung bringen. Dann werde ich natürlich berichten. Oder gibt es hier jemanden, der mitliest und uns im Kommentar aus eigener Anschauung berichten kann? Das würde mich sehr freuen. Für heute: au revoir et à bientôt!
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Danke, AKR, für deine nette Korrektur über die „wenig wertschätzenden Äußerungen Camus‘ über Frauen.“ Macias war oft mein Trost nach Juli 1962. Er ist aber aus Constantine/heute Ksentina in Kabylien/Algerien, woher seine Familie stammt und blieb da bis zur Ermordung seines Schwiegervaters und der Unabhängigkeit Algeriens.
Liebe Grüsse
JL
Lieber Jean-Louis, vielen Dank für deinen Kommentar und die Korrektur bezüglich Enrico Macias! Liebe Grüße und à bientôt!
Ich freue mich sehr, dass tatsächlich ein Besucher des Camus-Festivals in Lourmarin hier mitgelesen und sich gemeldet hat! Carl Hofmeister aus Berlin schreibt mir so persönlich und ausführlich, dass ich hier mit seiner Erlaubnis nur einen Auszug teilen möchte. Er schreibt: „Sehr beeindruckt hat mich der Vortrag von Laurence Brossier über die Fraternité bei Camus (…). Catherine Camus war so freundlich und hat mir den Text umgehend zukommen lassen mit der Erlaubnis, ihn an Interessierte weiter zu vermitteln (ggf. an die „Société des recherches Camusiennes“ wenden). Am Samstagabend dann ein mitreißendes Konzert mit dem Sänger Enrico Marcias (87!), dessen Biografie an sich schon spannend und der auch algerischer Abstammung ist (nahe dem Viertel von Camus in Algier aufgewachsen). Catherine Camus‘ Tochter hatte bei Konzerteröffnung mitgeteilt, Marcias wäre auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Mutter eingeladen worden, und nach ein paar Chansons standen dann zunehmend Zuschauer auf, klatschten, sangen und tanzten mit – auch Catherine Camus bewegte sich bald ausgelassen auf den Stufen vor mir zur Musik … Natürlich war es in Lourmarin ein Treffen von oft sich kennenden Camusianer… innen (!). Es fiel mir auf, wie groß doch das Interesse gerade von Frauen an Camus zu sein scheint … Offenbar sind die (nahezu) Abwesenheit von Frauen in Camus‘ Werken und seine doch recht ‚wenig wertschätzenden‘ Äußerungen über Frauen ‚an sich‘ kein Hindernis, sich mit ihm zu beschäftigen. Auch drei der vier bisherigen Vorsitzenden der Camus-Gesellschaft waren / sind Frauen. Leider war ich beim rencontre über „Camus und die Frauen“ vor zwei Jahren in Lourmarin nicht dabei …
Wenngleich meine Teilnahme am Festival sehr subjektiv motiviert und die Kommunikation mit den Teilnehmenden aufgrund begrenzter Sprachkenntnisse etwas limitiert war – die Atmosphäre bei diesen drei Treffen war sehr offen, freundlich, mitunter familiär et enfin: Le lieu en lui-même vaut le voyage …“. Carl Hofmeister, Berlin (Kleine Anmerkung meinerseits: Ich kenne kaum persönliche nennenswerte „wenig wertschätzenden‘ Äußerungen über Frauen“ von Camus. Und zur nicht zu unterschätzenden Bedeutung der Frauen im Werk von Camus als „Stimmen der Liebe“ verweise ich unbescheidener Weise auf meine Veröffentlichungen zum Thema „Vom Absurden zur Liebe“). Nochmals herzlichen Dank an Carl Hofmeister – ich freue mich sehr, wenn dieser Blog trotz seiner sehr reduzierten Schlagzahl der Veröffentlichungen weiterhin auch ein Forum des Austausches zwischen Camus-Interessierten fungiert!