„Welche andere Stadt bietet das ganze Jahr über solche Herrlichkeiten – Meer, Sonne, heißen Sand, Geranien (…) Oliven- und Eukalyptushaine? Man erfährt das Glück. (…) Ich könnte niemals außerhalb Algiers leben. Nie. Ich werde reisen, weil ich die Welt kennenlernen möchte, aber anderswo werde ich mich immer wie im Exil fühlen, davon bin ich überzeugt.“
Das schrieb der damals knapp 19 Jahre alte Albert Camus in einem Brief an seinen Freund Claude de Fréminville im Oktober 1932. (1) Bekanntlich hat Camus dann doch den größten Teil seines Lebens außerhalb von Algier, ja sogar außerhalb von Algerien gelebt. Dass er sich dabei immer ein wenig wie im Exil fühlen würde – dabei ist es wohl geblieben. Am wenigsten vielleicht, nachdem er das Haus in Lourmarin im Luberon gefunden hatte und sich den Garten mit einem Esel teilte. Aber 1945 hatte er in einem Interview auf die Frage, woher seine tiefe Anhänglichkeit für Nordafrika komme, noch geantwortet:
„J’y suis né, c’est un grand pays aux forces intactes. Loin de son ciel, je me sens toujours un peu en exil“ – „Dort bin ich geboren, es ist ein großes Land mit ungebrochenen Kräften. Fern von seinem Himmel fühle ich mich immer ein wenig wie im Exil.“ (2)
Seine algerische Heimat verlor er, weil das Land (auf ziemlich blutige Weise) seine Unabhängigkeit erkämpfte. Heute verlieren hunderttausende Menschen ihre Heimat, weil ein Land gegen einen mächtigen Angreifer für den Fortbestand seiner Unabhängigkeit kämpft. Ganz abgesehen von den millionen Menschen weltweit, die ihre Heimat verlieren, weil sie aus verschiedenen Gründen auf der Flucht sind.
Das Thema Über den Verlust der Aufgehobenheit. Albert Camus‘ Exilnovellen, das Holger Vanicek für den Abend am 5. April im Logoi, Aachen, gewählt hat, ist mithin einmal mehr von großer Aktualität. Der Bedeutungshorizont der beiden Pole „Das Exil und das Reich“, was auch der Titel der in den 1950er Jahren verfassten Novellensammlung von Camus ist, reicht freilich über das naheliegende Verständnis von Heimat und Exil weit hinaus und ist eingebettet in seine Philosophie des Absurden.
Holger Vanicek, Vorsitzender der Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen, wird mit einem Impulsvortrag in das Thema einführen und das anschließende Gespräch moderieren. In der Ankündigung schreibt er:
In diesen Schriften geht es um sehr tiefgreifende Betrachtungen, die Camus anhand persönlicher Schicksale und Erlebnisse seiner fiktiven Protagonisten darstellt, Menschen, die aus ihrer üblichen, oft behaglichen Lebenssituation geworfen sind und sich neuen Herausforderungen stellen müssen. Wie kommen diese „Exilanten“ mit diesen Situationen zurecht, woran scheitern sie und worauf können sie hoffen?
Die Veranstaltung ist Teil der Vortragsreihe der Volkshochschule Aachen über Albert Camus in Kooperation mit dem LOGOI.
Termin: Dienstag, 5. April 2022, 19.30 Uhr, LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen (Eintritt frei), Info hier
(1) zitiert nach Oliver Todd, Albert Camus. Ein Leben, Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1999, S. 55. (2) Interview in „Servir“ am 20. Dezember 1945, Albert Camus, Oeuvre complètes II, 1944-1948, édition publiée sous la direction de Jacqueline Lévi-Valensi, Gallimard, Paris 2006, Bibliothèque de la Pléiade, p. 659.
- Eine weitere Veranstaltung mit Holger Vanicek in Kooperation mit der VHS Aachen gibt es am 3. Mai 2022, 19.30 bis 21 Uhr: Bei einem abendlichen „philosophischen Spaziergang“ mit offenem Gespräch geht es um das Thema „Empörung und Revolte – Was die heutigen Jugendbewegungen mit Albert Camus` Haltung gemein haben“. Dazu heißt es in der Ankündigung: „Die Jugend geht wieder auf die Straße! Sie kämpft um eine bessere, um ihre eigene Zukunft und denkt weit darüber hinaus, ohne dabei die Menschen der Gegenwart aus den Augen zu verlieren. Die Themen, um die sie kämpfen, waren noch nie so brisant, doch die Haltung dahinter finden wir bereits bei einigen Vordenkern – einer unter ihnen war Albert Camus.“ Info hier.
Merci, chère A-K, pour ces lignes citées de Camus sur la ville dont la lumière et le sang resteront pour toujours la toile de fond de ma vie d´“exilé“.
Cher J-L, merci pour ce commentaire emouvant. Ich hoffe immer noch, die Heimat von Dir und Albert irgendwann einmal selbst zu sehen. Très cordialement, A-K.