„Schreib ohne Furcht und viel“ – aber versende nicht mit DHL

Ich hatte mich so auf das Paket vom Rowohlt-Verlag mit der druckfrischen deutschen Ausgabe des Briefwechsels von Albert Camus und Maria Casarès gefreut… Schon vor einer Woche wollte ich hier davon berichten, allein: Das Paket ist verschollen. Der bei DHL gestellte Nachforschungsantrag bedürfe einer Bearbeitungszeit von zwei bis sechs Wochen, ich möge mich bitte „ein klein wenig“ gedulden, teilt man mir nach acht Tagen auf Nachfrage mit.

Wobei schon die Nachfrage nicht ganz einfach war, denn zuerst versteht der Bot, bei dem man telefonisch landet, bevor man einen lebenden Menschen an die Strippe kriegt und nachdem man bis an die äußersten Grenzen der Geduld in der dudelnden Leitung gehangen hat, die mitgeteilte Sendungsnummer nicht. Ich trickse ihn mit einem „die Sendungsnummer ist mir nicht bekannt“ aus, aber mein Triumph ist nur von kurzer Dauer, denn beim nächsten Schritt versteht er auf die Frage „handelt es sich um eine Lieferung innerhalb Deutschlands“ das schlichte, klar und deutlich gesprochene Ja nicht. Irgendwann aber gab es dann doch noch Lebendkontakt mit einer durchaus bemühten Person. Die mir nach einiger Nachforschung mitteilt, dass das Paket nie in der auf dem Zustellungszettel angegebenen Packstation angekommen sei. Das wiederum wusste ich schon, denn bei eben dieser Packstation erhielt ich mit meiner Sendungsnummer die Auskunft, es läge keine Sendung für mich vor. Warum könne sie auch nicht sagen, so die freundliche Person weiter. Vermutlich sei die Station voll oder defekt gewesen. – Ich versuche mal kurz, den Vorgang zu rekonstruieren: Paketzusteller*in trifft mich nicht zuhause an. Er oder sie wählt statt einen der drei im nahen Umkreis liegenden, von echten Menschen betriebenen Paketshops eine weiter entfernt liegende Packstation aus, ohne zu wissen, ob da noch Platz ist oder ob sie überhaupt funktioniert. Fährt mit meinem Paket dorthin, um festzustellen, dass kein Platz ist oder sie nicht funktioniert. Legt das Paket wieder in den Wagen. Der nächste Schritt verläuft im Dunkeln…

Tatsächlich habe ich jetzt sogar noch einige Zwischenschritte beim Versuch der Kontaktaufnahme und Nachforschung ausgespart, ich wollte Eure Geduld nicht weiter strapazieren. Ich bin im Prinzip ein eher geduldiger Mensch, habe mich aber doch ein ganz klein wenig aufgeregt.

Da kann man wohl nur froh sein, dass es zu Camus‘ Zeit noch kein DHL gegeben hat. Man stelle sich nur mal vor, Albert hätte auf diesem Weg ein Manuskript an Gallimard schicken wollen – Die Pest wäre vielleicht nie erschienen.

Premierenlesung am 18. Mai per Stream aus Freiburg

Ein kleiner Trost ist die Tatsache, dass wir uns schon am morgigen Dienstag, 18. Mai 2021, erstmals aus dem unter dem Titel Schreib ohne Furcht und viel. Eine Liebesgeschichte in Briefen 1944-1959 aus dem am selben Tag bei Rowohlt veröffentlichten Briefwechsel vorlesen lassen können. Möglich macht es die Lesereihe Freiburger Andruck, welche Lesung und Gespräch mit dem Übersetzer Tobias Scheffel als Livestream im Netz überträgt. Der umfangreiche Briefwechsel von Albert Camus und Maria Casarès aus den Jahren 1944-1959 wurde erstmals 2017 in Frankreich bei Gallimard veröffentlicht. Der Rowohlt Verlag veröffentlicht die deutsche Übersetzung von Claudia Steinitz, Andrea Spingler und Tobias Scheffel.

Der Freiburger Übersetzer Tobias Scheffel stellt den Briefwechsel im Gespräch mit dem Chefdramaturgen des Theater Freiburg Rüdiger Bering vor. Gemeinsam mit der Schauspielerin Anja Schweitzer liest er ausgewählte Briefe.

Termin:
Dienstag, 18. Mai 2021, 19.30 Uhr. Die Veranstaltung findet als Livestream aus dem Literaturhaus auf der Seite www.infreiburgzuhause.de statt. Der Stream ist kostenlos, eine Spende ist erwünscht. Weitere Informationen: www.freiburg.de/freiburgerandruck

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8 Antworten zu „Schreib ohne Furcht und viel“ – aber versende nicht mit DHL

  1. Stefan E-Mensah sagt:

    Schreib ohne Furcht und viel,
    doch nicht zu schnell!
    Sonst scheitert es
    an DHL*

    Liebe Frau Reif,

    Eine Branche, die ihren Angestellten relativ wenig bezahlt, relativ viel an „Zustelloptionen“ outsorced (Shops, Nachbarn, Station), darüber hinaus mittlerweile so viele Zustellvarianten beinhaltet, dass wahrscheinlich selbst die Zusteller den Überblick verlieren. Böswillig nicht klingelwillige gibt es natürlich auch ein paar.
    Was die Defintion des Wortes „Service“ beinhalten könnte, da ist wohl der Wahlspruch: „Papier ist geduldig“. Mir geht es auch immer so, dass ich den Leuten an der „Hotline“ keine Vorwürfe mache, es sei denn, sie schalten völlig auf stur. Aber die sind ja geschult und haben ihre Satzbausteine gelernt.
    Ich habe auch gerade mit einem anderen „Service“ da so meine Erfahrungen gemacht.
    Ich hoffe, die Sache klärt sich für sie noch irgendwie positiv.

    Herzliche Grüße – Stefan Mensah

    *Ersatzweise gern einen anderen Anbieter eintragen, aber dann reimt es sich nicht mehr.

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Lieber Herr Mensah, Paketzusteller*in zu sein in diesen Zeiten ist sicher hartes Brot, und am Ende der Hotline zu sitzen, um sich aufgebrachte Kundenbeschwerden anzuhören, an denen man doch nichts ändern kann, alles andere als ein Traumjob. Es liegt zweifellos am System, dass da von Service nicht mehr die Rede sein kann – aber gegen eben dieses System regt sich dann bei mir doch eine gehörige Portion „révolte“. Drücken Sie die Daumen, dass die zweite Sendung ankommt…und vielen Dank für den launigen Reim, mit Humor lässt sich doch sowieso alles besser ertragen! Herzliche Grüße, Anne-Kathrin Reif

  2. Ruth Schlette sagt:

    Liebe Anne-Kathrin, Deine Postgeschichte ähnelt unseren Erfahrungen mit dem großen Weihnachts-Post-Brief von Tochter und Enkeln. Auch der ist nach der Abgabe in einer Poststelle in einer Kleinstadt am Niederrhein verschwunden….
    Es bleibt der Ärger – und die Einsicht in unsere Machtlosigkeit.
    Ob es wohl eine nicht-parteiische Beschwerdestelle gibt, z.B. bei der Verbraucherberatung??
    Nimmt nicht tragisch – das wünscht Dir Ruth!

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Liebe Ruth, danke dir. Ich nehm’s nicht so tragisch, aber doof ist es schon. Es macht gerade einen ziemlichen Unterschied, ob man sich über ein Rezensionsexemplar freuen darf oder in die Buchhandlung gehen muss… Und sechs Wochen Nachforschung, an deren Ende dann vielleicht steht, dass das Paket verschollen bleibt, kann ich nicht abwarten! Und wenn ich jetzt sehe und höre, wieviele Menschen mir ähnliche Erlebnisse schildern… da komme ich doch tatsächlich dahin, zu denken „früher war das aber nicht so“… Liebe Grüße an euch beide!

  3. Wolf Nebe sagt:

    Liebe Anne,
    ähnliche Berichte kann ich auch von anderen Versanddienstleistern geben. Tröstend und erheiternd mag vielleicht Karl Valentin mit seinem „Buchbinder Wanninger“ wirken, anzuhören z.B. unter https://www.youtube.com/watch?v=F7m9NwzD9no. Ansonsten finde ich deine nach einem Polizeibereicht klingende Formulierung „Lebendkontakt“ aufhorchenswert, sie lässt auf eine Mördergrube im Herzen schließen. Hatte da nicht eine junge Philosophin einst ein Buch geschrieben mit dem Titel „Vom Absurden zur Liebe“?
    Liebe Grüße
    wolf

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Lieber Wolf, meine Liebe zu Paketdiensten, die nicht funktionieren, hält sich in der Tat in Grenzen – da bleibe ich entweder im Absurden stecken oder in der (aussichtslosen) Revolte… Aber den Wonniger schau ich mir noch an, vielleicht heitert er mich ja wirklich auf! Lieben Dank und Gruß, Anne

  4. Adelheid sagt:

    Zum Gedanken, Camus hätte sein Manuskript von „La Peste“ auf dem Postweg an Gallimard schicken wollen ein Zitat der senegalesischen Schriftstellerin Fatou Diome, die ihr 1. Manuskript an einen Pariser Verlag senden sollte, statt dessen aber persönlich hinfuhr: „Haben Sie je eine Mutter gesehen, die ihr Baby mit der Post verschickt?“
    O.K., das ist vielleicht nicht ganz vergleichbar mit einem Rowohlt-Paket.

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Liebe Adelheid, ein sehr schönes Zitat! In vor-digitalen Zeiten hätte ich das ganz sicher auch so gemacht wie Fatou Diome! Herzliche Grüße!

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