Inzwischen ist ja so ziemlich jeder Tag irgendein Mottotag, der von irgendwemauchimmer ausgegeben wird, da schaut man kaum noch genauer hin. Deshalb hätte ich auch beinahe den heutigen übersehen, der durchaus des Hinschauens lohnt: Heute ist nämlich der „Welttag der Philosophie“. Seit 2002 begeht die Unesco diesen Tag jeweils am dritten Donnerstag im November. „Seine wichtigste Botschaft lautet: Philosophie, kritisches Denken und freie Meinungsäußerung sind entscheidend für ein friedliches und menschenwürdiges Leben in Vielfalt, für Wohlstand, Gerechtigkeit und Entwicklung“, heißt es auf der Webseite der Unesco. Das ist zwar etwas sehr summarisch formuliert, aber im Prinzip kann man da natürlich nur zustimmen. Schön ist vor allem, dass aus Anlass dieses Welttages hierzulande nicht nur in Köln, Berlin oder München philosophiert wird, sondern auch in Schriesheim oder Bad Schwalbach.
Unter den vielen breit gestreuten Veranstaltungen, welche die Unesco-Seite auflistet, findet sich auch zweimal Camus:
In der Volkshochschule Paderborn referiert der Paderborner Philosophieprofessor Prof. Dr. Michael Bösch über die Philosophie von Albert Camus. „Ein wichtiger Bestandteil dieser Philosophie ist das Absurde – die Diskrepanz zwischen einer sinnwidrigen Welt und dem nach Sinn suchenden Menschen“, heißt es dort. Termin und Ort: Donnerstag, 21.11.2013, 19 Uhr, in der VHS Paderborn, Marienplatz 11a, Eintritt: 5 Euro, Anmeldung erforderlich (weitere Infos).
Der „französische Schriftsteller und Philosoph, Journalist und Bürgerrechtler“ Albert Camus steht im Mittelpunkt einer Veranstaltung im Rathaus Xanten. Referent Dr. Yves Mayzaud stellt Camus‘ Leben und sein literarisches und philosophisches Werk vor – wichtige Themen sind Kolonialismus, Existentialismus und Widerstand. Termin und Ort: Donnerstag, 21.11.2013, 19.30-21 Uhr im Rathaus Xanten, Eintritt: 5 Euro (keine Anmeldung erforderlich).
Die offizielle Eröffnung des „Welttages der Philosophie“ durch Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova findet übrigens heute in Paris statt; das Thema eines „runden Tisches“ lautet: „Inklusive Gesellschaften, ein nachhaltiger Planet“. Aus Anlass seines 100. Geburtstages wird auch ein französischer Philosoph im Rahmen der „Welttag“-Veranstaltungen in Paris mit einem „runden Tisch“ zum Thema „Die Ethik des Wissens“ gewürdigt. Aber das ist nicht Albert Camus. Sondern Paul Ricoeur (1913-2005). Wen wundert’s, gilt doch Albert Camus in Frankreich immer noch nicht als „richtiger“ Philosoph. Es hätte ihn vermutlich nicht gestört. Von sich selbst sagte er:
„Ich bin kein Philosoph. Ich glaube nicht genug an die Vernunft, um an ein System glauben zu können. Was mich interessiert ist zu wissen, wie man sich zu verhalten hat. Genauer gesagt, wie man sich verhalten kann, wenn man weder an Gott glaubt noch an die Vernunft” (1).
Und das ist nun wirklich eine Frage, die des Nachdenkens würdig ist. Nicht nur am „Welttag der Philosophie“.
(1) Interview in Servir am 20. Dezember 1945, zit. nach Albert Camus, Oeuvre complètes II, 1944-1948, Gallimard, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 2006, S. 659, Übersetzung von mir.