Ein getanzter Étranger und noch viel mehr: Der Oktober wird ein prallvoller Camus-Monat!

Wenn es nach den Beiträgen im Blog ginge, wäre der September wohl ein ziemlich öder Monat gewesen, das muss ich zugeben. Da habe ich kaum mehr als die Veranstaltungsankündigungen verfasst – und schon ist der Monat rum und die nächste Vorschau ist fällig. Immerhin: Es gibt auch wieder Neues von Camus auf der Bühne. Das Theater in Trier bringt nämlich eine Bühnenadaption von Camus‘ Roman Der Fremde heraus – und das Besondere ist: Es handelt sich dabei nicht um Sprechtheater sondern um Tanz. Intendant Karl M. Sibelius hat Susan Oswell gebeten, für das Philharmonische Orchester der Stadt Trier eine Symphonie zu komponieren. Entstanden ist daraus ein Abend, mit dem sich das gesamte Tanzensemble erstmals vorstellen wird. Camus’ Roman diente dabei als Inspiration für die Zusammenarbeit von Susan Oswell und der Choreografin Rosamund Gilmore. Meursault, der Fremde, ist mit seinem unspektakulären Leben durchaus zufrieden. Unkonventionell und unkorrumpierbar, weigert er sich, die Ideologien der anderen anzunehmen, ist aber ein empathischer Beobachter seiner Mitmenschen“, heißt es dazu auf der Theater-Webseite. Was mich nur ein ganz klein wenig irritiert, denn wenn es etwas gibt, was Meursault sicher nicht auszeichnet, dann ist es Empathie. Schließlich ist ihm so ziemlich alles, was nicht sein eigenes Befinden betrifft, ziemlich egal, und nicht umsonst hatte Camus ursprünglich vor, seinen Roman nicht L’Étranger (Der Fremde) zu nennen sondern L’Indifferent (Der Gleichgültige). Aber ich bin natürlich sehr neugierig, inwiefern und inwieweit sich die Romanvorlage überhaupt in dem Tanzstück wiederfindet, und ob ein solches Detail überhaupt erkennbar wäre. Ich erfuhr von dem Ganzen übrigens durch Zufall, als ich unlängst bei einer Vorstellung der Neuen Stücke des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch die Bekanntschaft von Luiza Braz Batista machte. Sie ist Mitglied im Trierer Ensemble und erzählte mir davon – und so kreuzen sich unversehens zwei meiner Lieblingsthemen, Camus und der Tanz, auf das Schönste.

Premiere ist am 16. Oktober 2015, 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: 20., 21., 31. Oktober, 01., 14. und 15. November 2015.

Von allem anderen, das es im Oktober zu sehen gibt, habe ich hier bereits berichtet: Das Theater Regensburg hat seinen Caligula in der Inszenierung von Charlotte Koppenhöfer aus der vergangenen Saison wieder aufgenommen und zeigt ihn wieder am 7., 8., 11., 25. und 31. Oktober. Ich kann dazu leider aus eigener Anschauung nichts sagen – wohl aber zum Caligula im kleinen Bochumer Off-Theater an der Rottstraße 5, wo das Stück nach langer Zeit wieder einmal am 4. Oktober, 19.30 Uhr, gegeben wird. Dazu kann ich nämlich sagen: UNBEDINGT HINGEHEN! Meine Hymne auf diese großartige Umsetzung des Stoffes (Regie: Marco Massafra) mit einem phantastischen Martin Bretschneider in der Titelrolle kann man hier nachlesen. Verlässlich hat das Euro-Theater Bonn seine beiden Camus-Stücke im Programm und zeigt am 13. und 14. Oktober wieder Der Fremde und am 28. Oktober die 50. Vorstellung von Die Gerechten.

Auch bei der TheaterWerkstatt Würzburg stehen Die Gerechten noch den ganzen Oktober auf dem Spielplan: bis zum 31. Oktober jeweils mittwochs, freitags, samstags und sonntags (Regie: Uwe Bergfelder).

Noch einen Grund mehr, Nikolaus Habjans ungewöhnliche Inszenierung von Das Missverständnis anzuschauen als die flächendeckend begeisterten Kritiken: Das Spiel mit Schauspieler*innen und Puppen wurde jüngst für den Nestroypreis 2015 in der Kategorie „Beste Bundesländeraufführung“ nominiert. Die ursprünglich am Schauspielhaus Graz beheimatete Inszenierung ist mit der Intendantin Anna Badora ans Volkstheater Wien gewandert. Premiere dort ist am 23. Oktober, weitere Vorstellungen am 28. Oktober sowie 3. und 4. November. Mir versetzt’s jedesmal einen Stich, wenn ich hier davon erzähle, denn da trifft Camus auf eine weitere große Liebe von mir, das Figurentheater – und ich würde es zu gerne sehen, aber Wien ist einfach gerade zu weit.

Gut möglich, dass Camus nicht nur auf den Bühnen im Lande so präsent ist, sondern auch noch der ein oder andere Vortrag gehalten wird, nur erfahre ich nicht unbedingt davon. Verlässlich über ihre Termine informiert jedoch die Deutsche Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen, wo am 30. Oktober Klaus Blode über „Der Fremde / L´Étranger“ spricht (19 Uhr im Institut Logoi, Jakobstraße 25a, in Aachen).

Auch ob und welche Programmkinos vielleicht David Oelhoffens grandiosen Film Den Menschen so fern nach Camus‘ Erzählung Der Gast zeigen, nachdem er in den großen Kinos schon abgespielt ist, kann ich nicht sagen – mit einer Ausnahme: In Landsberg bei München betreibt Kurt Tykwer mit einem kleinen Team das Filmforum im Theater. Seit 2007 werden montags – und einmal monatlich auch sonntags – bedeutende Filme aus der hundertjährigen Filmgeschichte gezeigt: von den großen Klassikern bis zu den besonderen Filmen der Gegenwart. Und zu letzteren gehört ganz ohne Zweifel Den Menschen so fern, der am 26. Oktober zu sehen sein wird. Dazu wird es eine kleine literarische Einführung zu Camus geben.

Espace Albert Camus in LourmarinVon all dem werde ich im Oktober wohl nichts zu sehen bekommen, dafür aber umso mehr von den diesjährigen Rencontres Méditerranéennes Albert Camus, die am 16./17. Oktober in Lourmarin zu dem schönen Thema «Albert Camus: le cycle inachevé, le cycle de l’amour» stattfinden werden, und an denen ich nicht nur als Zuhörerin sondern auch als Referentin teilnehmen darf. Mehr zum Programm steht ja bereits im Blog, inzwischen steht aber auch der Zeitplan der Tagung fest. Wem also noch der Sinn nach einer kleinen Herbstreise zu Camus nach Südfrankreich steht: Am 16. Oktober, 14.30 Uhr, werde ich dort meinen Vortrag «L’amour: début secret et objectif du cheminement de la pensée d’Albert Camus» halten. Die ganze Tagung findet übrigens im Espace Albert Camus statt, was gar nicht zu verfehlen ist. Dass ich von dort berichten werde, versteht sich von selbst, und vielleicht begegnet mir Camus ja auch noch an anderen Stellen meiner Reise in den Süden, wer weiß. Lassen wir uns überraschen. In diesem Sinne – à bientôt!

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