Schnell noch eine Ankündigung für heute Abend: Das „philosophische Radio“ auf WDR 5 widmet sich heute Albert Camus. Jürgen Wiebicke hat den Koblenzer Philosophen Rudolf Lüthe zu Gast. Versteht sich von selbst, dass ich vor dem Radio sitzen werde: Schließlich habe ich beide bei der Camus-Revue auf der phil.Cologne als ausgesprochen angenehme und kompetente Gesprächspartner kennen gelernt und freue mich jetzt auf ein Wiederhören.
Macht es noch Sinn, nach dem Sinn zu fragen? ist die Leitfrage der Sendung. In der Ankündigung des WDR heißt es:
„Der Mythos von Sisyphos, die Absurdität des Seins, die permanente Revolte dagegen – Schlagworte, die eng mit den französischen Philosophen und Schriftsteller Albert Camus verbunden sind. Camus, der in diesem Jahr seinen 100 Geburtstag gefeiert hätte, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Existenzphilosophie. Dabei steht der Franzose mit seinem Ansatz in einer großen philosophischen Tradition, nämlich der moralistischen. Bereits in der Antike fragten ihre Vertreter nach dem Sinn; also danach, wie der Mensch ein Leben führen kann, das ihn glücklich macht. Unter dem Einfluss des Christentums wurde die Frage verdrängt, ab dem 16. Jahrhundert tauchte sie wieder auf – und mündete in die moderne Sinnphilosophie, in den Existenzialismus. Im Gegensatz zu Kierkegaard fand Camus keine Antworten mehr in metaphysischen Gefilden, stattdessen vertraute er auf die Vernunft – und prägte er den Begriff der Absurdität des Seins, die Sinnsuchende melancholisch und rational zu ertragen haben.
Heute ist Camus etwas aus der Mode geraten, und es stellt sich die Frage: Macht es noch Sinn, nach dem Sinn zu fragen? Ist die Welt immer noch so absurd, wie sie Camus schien – oder erkennen wir mehr Sinnhaftigkeit in ihr? Sind wir mittlerweile so frei, uns ein gutes Leben zu gestalten? Wie können wir heute die Sinnfrage für uns beantworten?
Der Philosoph Rudolf Lüthe und Moderator Jürgen Wiebicke laden ein zu einem Austausch über Albert Camus.“
Ich bin gespannt! Über das „….melancholisch und rational zu ertragen haben…“ bin ich jedenfalls erstmal gestolpert, denn das ist ja zum Glück bei Camus nicht das letzte Wort… Zur Beantwortung der Frage, ob die Welt heute immer noch so absurd ist, wie sie Camus schien, reicht es eigentlich, die Abendnachrichten einzuschalten oder den Blog-Beitrag von gestern zu lesen.
* Heute, 30. August, WDR 5, 20.05 bis 21 Uhr.
Für alle, die es verpaßt haben: Die Sendung gibt es auch zum Nachhören bzw. als Podcast zum Download.
(Daß bei dem geschätzten Jürgen Wiebicke bzw. dem „Philosophischen Radio“ das „Sinnmachen“ Einzug gehalten hat, betrübt mich ein wenig.)
Es mag ja für viele sehr praktisch sein, wenn sie sich schon mal mit Leben und Werk Albert Camus beschäftigen, Albert in der Schublade „Existenzialismus“, in die er nun mal von vielen gegeben wurde/wird, zu „finden“. Aber der wissenschaftlichen Redlichkeit willen ertrage ich es eigentlich schon lange nicht mehr, gerade im Blick auf die frühen, aber auch die letzten Arbeiten von Albert, ihn so einfachhin als „Existenzialisten“ auf ewig festzuschreiben, was wie gesagt Camus und seinem Werk in keiner Weise gerecht wird. Warum er im Vorspann für die Radiosendung, die ich leider nicht gehört habe, wieder schlichtweg als Existenzialist bezeichnet wird, auch wenn es um den Sinn der Frage nach dem Sinn geht, ist mir schleierhaft, und hoffentlich ebenfalls vielen Camuskennern und „Camusfans“, gehen doch so viele Nuancen und wesentliche Inhalte seines Werkes, aber vor allem sein viel umfassenderer Blick auf die „condition humaine“, verloren.
P.S. Ich danke ihnen für die Beitäge in diesem Blog, besonders auch jenen, aus den Urlaubstagen.
Alles Gute, ich freue mich auf weitere Beiträge undAnregungen
Liebe Grüße aus Österreich Alois
Endlich ein klares Wort! Vielen Dank, lieber Alois Klinglmair!
Camus kann sich ja nicht mehr wehren, wenn er sich heute im deutschen Feuilleton als Existentialist wiederfindet.
In der alten Pléiade-Ausgabe der „Essais“ (1965) findet sich ein Auszug aus einem Interview, das am 15. November 1945 in „Les Nouvelles littéraires“ veröffentlicht wurde. Überschrift: NON, JE NE SUIS PAS EXISTENTIALISTE.
(NEIN, ICH BIN KEIN EXISTENTIALIST)
Originalton Albert Camus:
„- Non, je ne suis pas existentialiste. Sartre et moi nous nous étonnons toujours de voir nos deux noms associés. Nous pensons même publier un jour une petite annonce où les soussignés affirmeront d´avoir rien en commun et se refuseront à répondre des dettes qu´ils pourraient contracter respectivement….
Quand nous nous sommes connus, ce fut pour constater nos différences. Sartre est existentialiste, et le seul livre d´idées que j´ai publié: le Mythe de Sisyphe, était dirigé contre les philosophes dits existentialistes…“
– Ich will hier nicht den ganzen Passus übersetzen, nur den letzten Satz: „Sartre ist Existentialist, und das einzige {theoretische} Buch, das ich veröffentlicht habe – Der Mythos von Sisyphos – war gegen die Philosophen gerichtet, die sich Existentialisten nennen…“