Mein Camus-Corona-die-Pest-und-ich-Tagebuch hatte ich ja mit guten Gründen im August erstmal beendet. Aber natürlich habe ich weiterhin mit Camus und auch mit der Pest gelebt, genauso wie mit der Präsenz dieses unseligen Virus‘, das eine zeitlang ein kleines bisschen weniger präsent war, und das jetzt wieder wie mit neuen, in einer Atempause angesammelten Kräften zurückgekehrt ist. Da war gar nix überwunden, der Stein hat sich nur ein kleines Weilchen in fragilem Gleichgewicht auf dem Gipfel gehalten. Jetzt ist er mit großem Getöse talwärts gedonnert, und wir haben ihn erneut zu stemmen. Ab morgen ein neuer Lockdown, jedenfalls in großen Teilen, alles auf Anfang. Heiliger Sisyphos. Ich werde am heutigen Allerheiligentag eine Kerze für ihn anzünden.
Im Grunde könnte ich auch mein Camus-Corona-die-Pest-und-ich-Tagebuch jetzt wieder von vorn anfangen, und das meiste würde sich wiederholen. Da mach‘ ich’s dann lieber wie die Kanzlerin, als sie sagte: „Schaut euch meine Ansprache von letzter Woche an, es hat sich nichts geändert.“ Warum es dann heute trotzdem eine neue Folge gibt? Weil Allerheiligen ist, und weil es da so eine besonders schöne Stelle in der Pest gibt. Und weil ich gerade auf einer wunderbaren, beinahe menschenleeren Nordseeinsel bin, wo ich jeden freien Atemzug genieße (nur gute Aerosole in der Luft!), und die ich nun morgen früher als geplant verlassen muss. Wo in den Schaufenstern der Geschäfte, die mangels Touristen jetzt frühzeitig schließen, die nordseetypische Öltuchkleidung präsentiert wird. Vielleicht liest ja einer der vielen Verschwörungszeitgenossen mit und denkt sich: „Mensch, da ist bestimmt was dran. Hilft auch gegen Corona.“ Das verbreitet er dann unter seinesgleichen, und schwupps, schießt der Verkauf von Friesennerzen in die Höhe. Das würde den gebeutelten Inselbewohnern enorm zu Gute kommen und wär‘ doch echt mal eine sinnvolle Folgeerscheinung von der Art Unsinn, die einen gerade ziemlich zur Verzweiflung treiben kann.
„Allerheiligen war dieses Jahr nicht wie andere Jahre. Das Wetter allerdings passte dazu. Es hatte jäh umgeschlagen, und die späte Hitze war unvermittelt der ersten Kälte gewichen. Wie immer, so blies auch dieses Jahr ununterbrochen ein kalter Wind. Dicke Wolken eilten von Horizont zu Horizont und warfen Schatten auf die Häuser, die nach ihrem Vorüberziehen wieder das kalte goldene Licht des Novemberhimmels empfingen. Die ersten Regenmäntel waren aufgetaucht. Auffallend war die überraschend große Zahl glänzender Gummistoffe. Die Zeitungen hatten nämlich berichtet, dass vor zweihundert Jahre die Ärzte während der großen Pestzeit in Südfrankreich Öltuch getragen hatten, um sich zu schützen. Die Geschäfte hatten aus dieser Erzählung Vorteil geschlagen und ihre Lager aus der Mode gekommener Kleidungsstücke, dank denen jedermann Bewahrung vor der Krankheit erhoffte, abgestoßen.“ *
Ich habe heute übrigens, wie immer an Allerheiligen, Geburtstag. Insofern ist auch mein ganz persönliches Allerheiligen dieses Jahr nicht wie andere Jahre. Vielleicht schenke ich mir morgen, wenn man uns nötigt, vor der Zeit abzureisen, ja noch ein paar schicke Gummistiefel und vor allem eine Öljacke. Man weiß ja nie.
*Albert Camus, Die Pest. Deutsch von Guido G. Meister. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1950, S.153
Von Anfang anlesen: „Camus-Corona-die Pest-und ich-Tagebuch“ (1)
Sehr schöner blog, sehr schöne Idee – und sehr liebevoll und tiefgründig gemacht.
Gratuliere – und mit leichter Verspätung: Glückwunsch zum Geburtstag, möge das Jahr dir nur gute Aerosole bringen!
Freundliche Grüsse – Henrique Leemann
Lieber Henrique, sehr herzlichen Dank für den so freundlichen Kommentar und die Glück- und guten Wünsche! Ich hoffe, du wirst den blog hin und wieder weiter verfolgen! Liebe Grüße, Anne-Kathrin
Herzlichen Glückwunsch
Vielen Dank!
Herzlichen Glückwunsch!
Meine Frau hat heute ebenfalls Geburtstag, und sie fühlte sich wegen Corona genötigt, das traditionelle Familienfest mit Kindern und Enkeln abzusagen. Aber wir wurden heute in der Frühe durch einen Anruf unserer Töchter überrascht. Sie forderten uns auf, unsere Wohnzimmerjalousie zu öffnen, und siehe da, da stand auf unserer Terrasse ein gedeckter Geburtstagstisch und dahinter die beiden,die sich diebisch über ihre gelungene Überraschung freuten! – und wir mit mit Ihnen!
Waren für Sie auf der Insel wenigstens auch ein paar Geburtstags-Sonnenstrahlen übrig? Für uns war der Tag trotz Corona – vielleicht aber auch coronabedingt gerettet!
Mit besten Grüssen!
Lieber Herr Silberbach, wie schön! Wenn wir uns alle bemühen, Corona immer wieder solche schönen Momente abzuringen, werden wir auch durch diese Krise hindurchkommen. Einen herzlichen Glückwunsch nachträglich an Ihre Frau und Glückwunsch zu Ihren tollen Töchtern. Ich hatte einen sehr schönen, zu großen Teilen tatsächlich sonnigen Inselgeburtstag. Heute erfolgt dann leider die zwangsweise Abreise… Herzliche Grüße, Anne-Kathrin Reif
❣️
Liebe Anne Kathrin,
einen herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag sende ich Dir verbunden mit demWunsch, dass uns Dein wunderbarer Humor weiterhin begleitet. Daaanke!
Anlässlich des Zusammentreffens beider Feiertage werde ich mich morgen nach dem Spätstück u. A. im Hillijen-Lexicon mal nach Deinen Namenspatroninnen erkundigen…
Klaus
Lieber Klaus, herzlichen Dank! Dann bin ich mal gespannt, was du herausfindest…