Camus auf diversen Bühnen – von der Verlockung bis zur Trigger-Warnung

Mit Albert Camus‘ „Die Besessenen“ in der Regie von Jette Steckel eröffnen am 25. Januar 2023 die „Lessingtage“ am Thalia-Theater in Hamburg. Foto: Armin Smailovic

Zwischenzeitlich denke ich öfters, es sei in Bezug auf Camus deutlich ruhiger geworden auf den Bühnen im Vergleich zu den vergangenen Jahren – aber dann ploppt doch immer wieder was auf. Nicht, dass man da als Camus-Freund immer gleich hinrasen müsste, aber es ist doch interessant zu sehen, wer sich wo wie mit Camus beschäftigt. Zum Beispiel:

* Am Mittwoch, 18. Januar 2023, 19.30 Uhr, kann man im Theater am Ring in Villingen-Schwenningen Camus‘ Novelle L‘hôte (Der Gast) in einer Bühnenfassung in französischer Sprache erleben. „Die Erzählerin der Bühnenfassung stellt sich ganz in den Dienst der literarischen Vorlage: der Schönheit und Prägnanz von Camus‘ Stil und der Plastizität und Intensität der Schilderung“, heißt es in der Ankündigung (mit Nathalie Cellier, Regie: Peter Steiner). Info/Tickets hier.

* Am 25. Januar 2023, 19 Uhr, werden im Thalia Theater Hamburg die Lessingtage mit Albert Camus‘ Die Besessenen – Camus‘ Bühnenadaption von Dostojewskis Roman Die Dämonen – in der Regie von Jette Steckel eröffnet. Die Lessingtage sind ein internationales Theaterfestival, das dem Aufklärungsgedanken seines Namensgebers Gotthold Ephraim Lessing folgend jährlich aktuelle Produktionen, Diskurse, Lesungen und vieles mehr zu gesellschaftlich relevanten Fragen präsentiert – der Blick auf ein spannendes Programm (25.1. bis 12.2.2023) lohnt sich. Auch die Ankündigung von Die Besessenen liest sich spannend:

„Freiheit braucht Mut. In dieser Erkenntnis trifft sich Albert Camus’ unbeirrbarer Geist mit Dostojewskijs großer Erzählung „Dämonen“. Sie ist Ausgangspunkt für „Die Besessenen“ – einer Geschichte über die Abgründe der menschlichen Psyche und über das Verbrennen an den eigenen Ideen. Um den faszinierenden Nikolai Stawrogin gruppieren sich Nihilisten, Fromme, Gleichgültige, liberale Idealisten und Revolutionäre – ein Clash der Generationen und Überzeugungen. Die Zerrissenheit des Menschen im Kampf mit der Geschichte, in der alles, was nicht mit echter Er­fahrung zu Ende gedacht ist, zur Ideologie verkommt. Albert Camus, Nobelpreisträger und einer der wichtigsten französischen Autoren des 20. Jahrhunderts, hat Dostojewskijs „Dämonen“ unter dem Brennglas der eigenen Existenzphilosophie verdichtet: Welche Haltung kann man der Welt entgegensetzen in Zeiten politischer und ökologischer Krisen – in der Freiheit und Vernunft von den Gegenkräften der Gewalt und des Absurden beherrscht werden? Hausregisseurin Jette Steckel ist eine erfahrene Camus-Interpretin. „Der Fremde“ lief über 10 Jahre sehr erfolgreich im Thalia in der Gaußstraße. Jetzt inszeniert sie Camus’ meisterhafte Dialoge zwischen politischer Debatte, großer Situationskomik und tiefer Tragik. „Die Besessenen“ ist Ausgangspunkt einer modernen Untersuchung des Zustands zwischen Ohnmacht und Tatendrang, Ratlosigkeit und Zersplitterung: ein Hochdruckkessel.“

Nach der Premiere bei den Lessingtagen sind Die Besessenen wieder am 29. Januar, 20. Februar und 5. März im Thalia Theater zu sehen. Info/Tickets hier.

* Im Corona-Jahr 2020 brachte das Staatstheater Wiesbaden (wie so viele) Die Pest in einer Bühnenversion heraus – hier als Solostück mit Matze Vogel in einer Fassung von Sebastian Sommer. Nächster Termin ist am 2. Februar. Zu den Tickets hier. (im Blog schon ausführlicher vorgestellt, einfach mal in die Suchfunktion eingeben).


* Wenn wir hier schon bei den Ankündigungen sind, darf natürlich ein Termin nicht fehlen, zu dem es hier hoffentlich aber in Kürze noch Ausführlicheres zu lesen geben wird: Nämlich Martin Bretschneiders Camus-Abend A Mission For Sisyphos in Hövelriege. Premiere ist am 28. Januar, 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen am 29. Januar und 4. Februar.

Achtung, Trigger-Warnung vor Caligula!

Nach den Vorschauen nun noch ein kleiner Rückblick auf die Caligula-Premiere an den Berliner Kammerspielen (u.a. mit Darstellern des Theaters Ramba Zamba) am 17. Dezember 2022, wenn auch nicht aus eigener Anschauung. Was mir nach diesem fulminanten Verriss von Lilja Rupprechts Inszenierung nicht so arg leid tut, auch wenn man sich natürlich immer selbst ein Bild machen sollte. „Wir blicken in eine bühnenbreite Wanne mit verkohlten Schnipseln und ein paar Männern, die am Anfang dunkle Anzüge, dann rote Strümpfe zu schwarzen High Heels und am Schluss neckische Lackkleidchen und keine Hosen tragen. Ähnlich treibt’s Elias Arens als Caligula, nachdem er zuerst in einem Paillettenanzug glänzte. Man haut sich Camus’ Text um die Ohren oder sagt ihn brav auf. Dabei wird gern herumgestanden“, schreibt Irene Bazinger in der FAZ vom 22.12.22 – und meint in Bezug auf die „Trigger-Warnung“ auf der Theater-Webseite: „Unter uns: Das bisschen Blut und Würgen und dezentes Begatten ist im deutschsprachigen Theater 2022 keine besondere Überraschung. Viel eher wäre eine Warnung ganz anderer Art angebracht gewesen: „Diese Inszenierung enthält explizit keine Kunst und weiß nicht genau, warum sie überhaupt gezeigt wird, was Sie möglicherweise verstören kann, wofür wir uns schon einmal entschuldigen möchten, wir wissen es nämlich nicht besser.“ Die ganze Kritik ist hier nachzulesen.

Nun denn. Wer sich nicht abschrecken lässt: Weitere Vorstellungen sind am 25. Januar und 13. Februar 2023. Infos/Tickets hier.

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