Wie ich einmal ein neues Camus-Spiel erfunden habe: Das Zufallszitat zum Sonntag (1)

So geht das wirklich nicht weiter. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich sind diese Camus-Pausen, die sich in den immer größer werdenden Blog-Lücken niederschlagen, eindeutig zu lang. Die Besprechung von Der Fremde beim Camus-Festival in Bonn im Januar bin ich immer noch schuldig geblieben, und ich merke, dass ich meine Versprechen nicht mehr so ohne weiteres halten kann. So geht das nicht. Aber es sieht nun mal so aus, dass ein volles Arbeitsleben, das nicht täglich  um fünf zu Ende ist, die Neigung hat, weite Teile des Lebens zu verschlucken und sehr wenig Spielraum für alles weitere zu lassen. Das ist blöd, und zwar ganz unabhängig davon, wie interessant, anspruchsvoll oder bedeutend die Themen dieses Arbeitslebens auch sein mögen. … – … Ich hoffe, der ein oder die andere von Ihnen hat jetzt gerade wenigstens mal kurz gezuckt und sowas in der Art von Huch, sie wird doch wohl nicht den Blog einstellen..? gedacht… – … . Nein, wird sie nicht. Zwar wäre das eine Möglichkeit, dem ständigen Es-gibt-nicht-genug-Zeit-für-alles-Dilemma zu entgehen, aber mein Leben besser machen würde es nicht. Im Gegenteil. Camus würde mir ebenso fehlen wie meine guten Freunde, für die ich ebenfalls zu wenig Zeit habe.

Deshalb habe ich ein neues Spiel erfunden, nämlich das Camus-Zufallszitat-am-Sonntag. Kein mit Bedacht gewähltes, mit aktueller Bedeutung aufgeladenes Zitat als Kommentar zur Lage der Nation, der Weltläufe oder der eigenen Befindlichkeit, sondern ein völlig zufälliges. Die Spielregel lautet: blind ins Regal greifen, Buch aufschlagen, mit dem Finger über der Seite kreisen, landen, fertig. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, was dabei herauskommen wird. Vielleicht ein kleiner Gedankenanstoß, vielleicht ein Wissenwollen und Weiterlesen, vielleicht auch nur ein Kopfschütteln. Probieren wir es aus. Das Schöne ist: Ich darf das ja, da ich vor Start des Blogs 2013 die Genehmigung zur Wiedergabe so genannte „freistehender Zitate“ eingeholt habe (kleiner Hinweis an mitlesende Urheberrechtsexperten). Genutzt habe ich das bislang nur selten. Also los. Fangen wir doch gleich mal an. Ich bin gespannt. Ha, das macht Spaß. Bis gleich.

 

 Das Camus-Zufallszitat am Sonntag (1)

Der Pfarrer: In die Kirche, in die Kirche! Die Strafe naht. Das alte Übel kommt über die Stadt. Die tödliche Geißel ist da, mit der der Himmel seit jeher die lasterhaften Städte für ihre Todsünden straft. Eure Schreie sollen in euren lügnerischen Mündern ersticken, und ein glühendes Siegel wird euch aufs Herz gedrückt. Betet zu Gott dem Gerechten, dass er vergebe und vergesse! Geht in die Kirche! Geht in die Kirche! (1)

 

Na, das ist doch schon mal ein hübscher Zufallsfund für einen Sonntag. Da kann man sich den Kirchgang ja gleich sparen. Übrigens: L’État de Siège wurde 1948 im Théâtre Marigny in Paris uraufgeführt. Regie führte Jean-Louis Barrault, das Bühnenbild stammte von Balthus und die Bühnenmusik von Arthur Honegger. Das Stück fiel bei Premierenpublikum und Kritik komplett durch.

(1) Albert Camus, Der Belagerungszustand, in: Sämtliche Dramen. Erweiterte Neuausgabe. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel und Uli Aumüller. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 2013, S. 177.

 

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