Tuncay Gary inszeniert die erst 2006 entdeckte Posse von Albert Camus
Das Impromptu der Philosophen – und weitere Ankündigungen
Eigentlich sollte hier ja schon längst ein kleiner Bericht vom Camus-Festival in Lourmarin stehen, aber wie das so ist, wenn man in den Alltag mit diversen Beanspruchungen zurückkehrt… Nun verschiebe ich es wiederum, um wenigstens ein Versprechen einzulösen, nämlich auf zwei von Tuncay Gary in Berlin bzw. in Buckow verantwortete Camus-Veranstaltungen hinzuweisen, deren Termine näher rücken:
Erster Termin ist eine szenische Lesung von Die Gerechten mit Live-Musik am 4. November 2023 im THEATERuntendrunter (alle Infos im Plakat links).
Drei Tage später, mithin an Camus‘ 110. Geburtstag am 7. November, folgt eine Aufführung von Das Impromptu der Philosophen – und das ist nun wirklich eine spannende Sache. Handelt es sich dabei doch um ein Stück von Camus, das man (mich selbst eingeschlossen) so gar nicht auf dem Schirm hat, wenn man an die Theaterstücke von Camus denkt. Tatsächlich ist es auch nicht in seine großen, von ihm selbst definierten Werkzyklen einzuordnen. Unter Pseudonym geschrieben, wurde es erst 2006 entdeckt und posthum veröffentlicht. Nach Aussage des Regisseurs Tuncay Gary kommt es nun zum ersten Mal auf die Bühne. Im Sammelband Sämtliche Dramen, die 2013 in neuer Übersetzung (Hinrich Schmidt-Henkel, Uli Aumüller) bei Rowohlt erschienen sind, ist es erstmals auf Deutsch enthalten. Hinrich Schmidt-Henkel schreibt dazu in seinem Nachwort zu den Dramen: „In dieser vergnüglichen, in Anlage, Figurenkonstellation und Zungenschlag molieresken Szene veräppelt er Sartre, dessen Gedankenwelt wie gesellschaftlichen Status. Sie ist ein amüsanter Begleitkommentar zum eigentlich schmerzlichen ideologischen und menschlichen Zwist zwischen den beiden bis zu ihrem Zerwürfnis befreundeten Denkern.“ 1 Hauptfigur ist ein gewisser Monsieur Néant, „Handelsreisender in neuen Lehren“, der unschwer als Jean-Paul Sartre zu identifizieren ist. Nichts Geringeres als „das neue Evangelium, dessen wahrer Apostel ich bin“ will dieser Herr Nichts dem Hausherrn, bei dem er vorstellig wird, andrehen. Zitate aus und Anspielungen auf Sartres Werk seien „wie Landminen im Text verscharrt“, schreibt Christopher Schmidt zur Neuherausgabe der Dramen in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Dezember 2013. „Der große Sartre als windiger Klinkerputzer mit einem Musterkoffer voller Modephilosophien – dieses Setting hat schon was“, konstatiert er (die ganze Rezension auf www.bücher.de). Da wäre ich gern dabei, wenn Tuncay Gary diese Trouvaille in Berlin auf die Bühne bringt! (Zu gern wüsste ich auch, welches Pseudonym Camus bei der Veröffentlichung gewählt hat, aber wird nirgendwo genannt).
Termin: 7. November 2023, 18 Uhr, Literatur- und Theaterwerkstatt Zingster Str. 15, 13357 Berlin (Eintritt frei).
Gerade rechtzeitig, um auch noch Eingang in diese kleine Vorschau zu finden, kommt eine Info von der Albert Camus Gesellschaft in Aachen: Die feiert den 110ten Geburtstag von Albert Camus am 7. November passend zum zehnjährigen Bestehen der Gesellschaft mit einer Lesung von Ausschnitten aus Camus‘ gesamten Werk. Holger Vanicek, Vorsitzender der AC-Gesellschaft verspricht „einen selbst für Camus-Kenner*innen überraschenden Abend.“
Termin: 7. November 2023, 19.30 Uhr, im LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen. Der Eintritt ist frei, Anmeldung nicht erforderlich.
Kleiner Vorblick noch auf den Dezember: Offenbar hat der Schauspieler Joachim Król nach etlichen erfolgreichen Tour-Jahren seine Sprecherrolle in der Lesung aus Camus‘ autobiographischem Roman Der erste Mensch mit dem Orchestre du soleil abgegeben. Am 13. Dezember 2023 übernimmt jedenfalls der ebenfalls bekannte Schauspieler Herbert Knaup den Part von Król in der Stadthalle Singen. Infos hier.
Kleiner Hinweis noch: Nicht alle Camus-Veranstaltungen bekommen einen eigenen Blog-Beitrag, aber unter dem Button „Aktuelles“ oben in der Leiste versuche ich, so viele Termine wie möglich einzuspeisen. Schaut doch immer mal wieder rein.
Ich wünsche allen Camus-Freundinnen und Blog-Lesern, Blog-Leserinnen und Camus-Freunden noch einen schönen Sonntag und sage wie immer hoffnungsvoll: à bientôt!
(1) Albert Camus, Sämtliche Dramen. Erweiterte Neuausgabe. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel und Uli Aumüller. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 2013, S. 583