Jetzt wird’s aber dringend Zeit, mal die Theaterprogramme zu durchforsten… Schließlich steht fast überall der Start in die neue Spielzeit quasi schon vor der Tür. Wird auch fast vier Jahre, nachdem seine Stücke zum Centenaire 2013 auf deutschsprachigen Bühnen stark in den Aufwind gerieten, noch und wieder Camus dabei sein? Ein erster Blick zeigt: Das Interesse scheint kaum nachgelassen zu haben, denn angekündigt werden sowohl Wiederaufnahmen als auch einige Premieren.
Stichwort Wiederaufnahmen, für mich an erster Stelle zu nennen: Die großartige (und sensationell erfolgreiche) Inszenierung von Das Missverständnis als Menschen-Figuren-Theater von Nikolaus Habjan am Volkstheater in Wien läuft dort wieder ab dem 9. Oktober. Und für wen der Weg nach Leipzig oder Zürich näher ist als der nach Wien: am 12. November gastiert das Stück beim Festival Euro-Scene Leipzig und anschließend am 25. und 26. November am ehrwürdigen Züricher Schauspielhaus. Dabei lohnt sich der Weg nach Leipzig sicherlich auch deshalb, alldieweil weitere drei Stücke mit Nikolaus Habjan und seinen Figuren dort gezeigt werden (und sich das Programm dieses Festivals für zeitgenössisches Theater und Tanz auch ansonsten spannend liest).
Ob sich wohl auch die Neue Oper Wien von Habjan und dem Erfolg seiner Inszenierung hat inspirieren lassen und deshalb Das Missverständnis als Opernstoff entdeckt hat? Jedenfalls wird dort in dieser Saison die Oper Le Malentendu von Fabian Panisello nach Albert Camus (Libretto von Juan Lucas) ihre Uraufführung feiern (in Kooperation mit dem Teatro Colon, Argentinien, den Teatros del Canal & Teatro Real (Madrid) und dem Centre National de Création Musicale (CIRM). Premiere ist am 21. Februar 2017 im Semper-Depot Wien, im April März geht die Inszenierung dann nach Madrid.
Dass in Zeiten beinahe allgegenwärtigen Terrors auch Camus‘ Auseinandersetzung mit diesem Thema wieder Konjunktur hat, braucht einen ja nicht zu wundern. Und so feiern Die Gerechten bereits am 15. September Premiere beim Theater Phönix im österreichischen Linz (Regie: Anke Salzmann; öffentliche Hauptprobe bereits am 13. September). Ab dem 25. Februar 2017 hat auch das Staatstheater Oldenburg das Stück um die jungen russischen Revolutionäre, die 1905 einen Anschlag auf den Großfürsten planen, im Programm (Regie: Peter Hailer). Das Euro-Theater in Bonn hat seinen Spielplan noch nicht veröffentlicht, gut möglich aber, dass auch dort die Dauerbrenner Die Gerechten und Der Fremde wieder aufgenommen werden.
Macht, Größenwahn, Schreckensdiktatur, Unterwerfung und Widerstand: Auch im Fall von Caligula muss man nach aktuellen Bezügen nicht tief graben. Beim Theater Basel steht die Premiere am 11. November an (Regie: Antonio Latella), das Theater Chemnitz nimmt seine Inszenierung aus der vergangenen Saison am 29. Oktober wieder auf (Regie: Robert Czechowski).
Zu guter letzt noch zwei Premieren, die zwar kein Original-Camus aber natürlich doch ganz unmittelbar mit ihm verknüpft sind: Kamel Daouds Erfolgsroman Meursault contre-enquête (Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung), der dem in Der Fremde von Meursault ermordeten Araber einen Namen gibt und die Geschichte aus der Sicht seines Bruders erzählt, hat den Weg auf die Theater- und nun auch auf die Opernbühne gefunden. Nachdem eine Bühnenfassung bereits im vergangenen Jahr beim Festival in Avignon zu sehen war, bringen die Kammerspiele München am 29. September unter der Regie des iranischen Regisseurs Amir Reza Koohestani eine weitere Version heraus. Gespielt wird u.a. in Farsi, arabischer und deutscher Sprache, mit deutschen und englischen Übertiteln. Zwei Tage vorher, am 27. September, ist der Autor Kamel Daoud selbst bei den Kammerspielen zu Gast und liest zusammen mit Mitgliedern des Ensembles aus seinem Roman. Und der Oper Die Fremden, die am 2. September im Rahmen der diesjährigen Ruhrtriennale ihre Uraufführung feiert, liegt ebenfalls jener Stoff zugrunde. Regisseur Johan Simons hat das Musiktheaterstück mit Musik von György Ligeti, Mauricio Kagel und Claude Vivier kreiirt (weitere Aufführungen am 3., 4., 8., 9. und 10. September in der Kohlenmischhalle, Zeche Auguste Victoria, in Marl). Womit wir gleich beim nächstliegendsten Termin angekommen wären.
Wie immer ohne Anspruch auf Vollständigkeit, weiteres wird sich vielleicht noch finden, und wie immer: 365tage-camus bleibt dran. In diesem Sinne: à bientôt!