„Freiheit um der Freiheit willen“ – Eine Begegnung mit Lou Marin

Ein Kaffee mit Lou Marin: Der Übersetzer von Camus' Combat-Texten an einem sonnigen Januarmorgen an seinem Wohnort Marseille. ©Foto: Anne-Kathrin Reif

Ein Kaffee mit Lou Marin: Der Camus-Kenner und Übersetzer von Camus‘ Combat-Texten an einem sonnigen Januarmorgen an seinem Wohnort Marseille. ©Foto: Anne-Kathrin Reif

Nein ich bin nicht gerade in Marseille – aber ich denke sehr gerne daran zurück: An diesen Vormittag im Januar, als ich bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen bei einem Café au lait dort mit Lou Marin zusammensaß. Wir sprachen über dieses und jenes, über Camus im Allgemeinen, vor allem aber über dessen journalistische Texte in der Untergrundzeitung Combat – denn Lou Marin ist es zu verdanken, dass man diese Texte seit kurzem auch auf deutsch lesen kann. Wofür man ihm  tatsächlich gar nicht genug danken kann, denn schon der schiere Umfang dieser zwei dicken Bände (im Foto oben liegen sie auf dem Tisch) macht deutlich, welch großer Teil des Camus’schen Denkens und Schreibens (und letztlich: Lebens) hierzulande außerhalb des kleinen Kreises von Camus-Experten weitgehend unbekannt geblieben ist. Umso mehr, nimmt man noch die 2013 ebenfalls von Lou Marin übersetzten und ebenfalls im Hamburger Laika Verlag erschienenen Libertären Schriften von Camus hinzu.

Enthalten die beiden Bände alle von Camus in Combat veröffentlichten Texte? (Ja, es sind alle 165 Artikel, die Camus namentlich veröffentlicht hat oder die ihm zugeordnet werden konnten). Wie lange hat er an der Übersetzung gearbeitet? (Ein Jahr lang, jeweils am Vormittag). Was war die größte Herausforderung dabei? (Man merkt, dass diese journalistischen Artikel von einem Schriftsteller geschrieben wurden. Die wenigen pathetischen Texte geben einen falschen Eindruck, in der Mehrzahl sind sie sehr nüchtern und klar, einfach klasse. Das rüberzubringen ist schon eine Herausforderung). Hat er Camus dabei noch einmal neu entdeckt? Was ist ihm als besonders spannend in Erinnerung geblieben? … Als ich mich im Januar mit Lou Marin in Marseille verabredete, war ich fest entschlossen, das Gespräch im Blog in Interviewform wiederzugeben. Allerdings habe ich noch bevor der Café au lait abgekühlt war kapituliert: Der Mann weiß einfach zu viel. Und er sprudelt sein Wissen in solch einem Tempo heraus, dass man gar nicht anders kann, als gefesselt an seinen Lippen zu hängen. Unmöglich, dabei auch noch schreibend mitzuhalten.

Eine fabelhafte Gelegenheit, das selbst einmal zu erleben, bietet sich Ende des Monats in Aachen: Lou Marin kommt am 22. Mai auf Einladung der Albert Camus-Gesellschaft ins Philosophische Institut Logoi. Unter dem Titel Freiheit um der Freiheit willen stellt er den Résistant und Libertär Albert Camus vor (Beginn: 20 Uhr, Eintritt frei).

Lou Marin, geboren 1961, kommt selbst aus dem politischen Aktivismus der „Graswurzelrevolution“ und ist Mitherausgeber der gleichnamigen gewaltfrei-anarchistischen Monatszeitung. Seit Ende der 1970er-Jahre ist er in gewaltfreien Aktionsgruppen im Rahmen der Anti-Atomkraft-Bewegung sowie der Friedensbewegung und vielen weiteren Initiativen aktiv. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen nicht nur über Albert Camus sondern auch über Mahatma Gandhi, Martin Buber und vieles mehr – und ein fesselnder Redner, der frei vortragend aus einem immensen Wissenschatz schöpfen kann. Seit 2001 lebt er als Journalist, Autor und Übersetzer in Marseille. Lou Marin hat Camus‘ Libertäre Schriften erstmals 2008 im französischen Original und 2013 von ihm selbst übersetzt auf deutsch herausgebracht. Die von ihm übersetzten Combat-Texte wurden zusammengestellt, herausgegeben und kommentiert von der Camus-Expertin Jacqueline Lévi-Valensi, die schon an der Herausgabe der Camus-Gesamtausgaben bei Gallimard mitwirkte.

Lou Marin (Hg.): Albert Camus – Libertäre Schriften (1948-1960), Übersetzung aus dem Französischen von Lou Marin, Laika Verlag, Hamburg 2013, 24,90 Euro.

Jacqueline Lévi-Valensi (Hg.): Albert Camus – Journalist in der Résistance (1944–1947), zwei Bände (übersetzt von Lou Marin), Laika Verlag, Hamburg 2014, je Band 24,90 Euro.

image001

P.S.: Und für die Camus-Freundinnen und -Freunde in Österreich: Lou Marin ist am 15. Mai, 11 Uhr, zu Gast im Kulturzentrum Avalon in Wien. Im Rahmen der „Kritischen Literaturtage 2015″ stellt er unter dem Camus-Titel „Weder Opfer noch Henker!“ die libertären und Résistance-Schriften von Camus vor. Info hier

Veröffentlicht unter Begegnungen, Leben und Werk | Verschlagwortet mit , , , , , | 2 Kommentare

Alternde Revolutionäre mit jeder Menge Kraft – „Die Gerechten“ am Düsseldorfer Schauspielhaus

Ensemble-Szene aus "Die Gerechten" am Düsseldorfer Schauspielhaus: Michael Abendroth, Marianne Hoika, Andreas Weißert, Wolf Aniol, Reinhart Firchow (v.l.n.r.). ©Foto: Sebastian Hoppe

Ensemble-Szene aus „Die Gerechten“ am Düsseldorfer Schauspielhaus: Michael Abendroth, Marianne Hoika, Andreas Weißert, Wolf Aniol, Reinhart Firchow (v.l.n.r.). ©Foto: Sebastian Hoppe

Es ist schon einige Wochen her, dass ich es doch noch zu einer Vorstellung von „Die Gerechten” im Düsseldorfer Schauspielhaus geschafft habe – und dann nicht mehr die Zeit fand, auch darüber zu berichten. Nun ist es für eine ordentliche Theaterkritik zu spät, denn die erfordert einiges mehr an Genauigkeit und detailliertem Urteil, als ich jetzt noch aufbringen kann. Trotzdem will ich nicht versäumen, wenigstens von dem zu erzählen, was sich als bleibender Eindruck festgesetzt hat, denn ich muss Abbitte tun. Der Regisseur Michael Gruner lässt die jungen russischen Revolutionäre, die 1905 ein Attentat auf den Großfürsten planen, von der alten Garde des Düsseldorfer Ensembles spielen. Ergraute, in die Jahre gekommenen Alt-68er. Mir schien das im Vorblick ein etwas gequältes Regiekonzept zu sein. Und dann waren auch die Premierenkritiken im vergangenen Oktober nicht gerade enthusiastisch. Kopflastig, langweilig, hieß es. Zugleich überschlug sich die Kritik vor Begeisterung über Nikolaus Habjans Inszenierung von „Das Missverständnis” mit lebensgroßen Handpuppen am Schauspielhaus Graz (die ich immer noch gern sehen möchte). Und so ließ ich mich bei der Monatsvorschau zu der Überschrift „Revolutionäre langweilen, Handpuppen rauben den Atem” verleiten. Vergessen Sie das. Es brauchte kaum einige Minuten beim Besuch der Düsseldorfer Vorstellung, und meine ganzen schönen Vorurteile waren über den Haufen geworfen. Und dass, obwohl die Inszenierung mit größtmöglicher Reduktion startet: eine freistehende schwarze Wand auf der leeren Bühne, davor Stühle nebeneinander aufgereiht. Die Darsteller sitzen frontal zum Publikum. Sie schweigen. Sie schweigen lange. Die Zuschauer warten, dass etwas passiert. Das Warten wird lang. Und schon ist man mittendrin: Wir teilen ja das gleiche Gefühl. Auch die Revolutionäre warten. Das Klopfen an der Tür, endlich!, ist für alle eine Erlösung.

Michael Abendroth (Janek) und Marianne Hoika (Dora) in einer Szene von "Die Gerechten" am Düsseldorfer Schauspielhaus. ©Foto: Sebastian Hoppe

Michael Abendroth (Janek) und Marianne Hoika (Dora). ©Foto: Sebastian Hoppe

Sie werden noch häufiger nebeneinander sitzen oder stehen und zum Publikum sprechen, eine höchst artifizielle Situation, die keinen Zweifel daran lässt, dass hier gespielt wird – und zugleich gehen diese fantastischen Darsteller so sehr in ihren Rollen auf, sprechen die vermeintlich „kopflastigen” Camus-Sätze mit der allergrößten Natürlichkeit, kreieren das ganze Spektrum der Emotionen auf so umangestrengte Weise, dass es einen einfach packt. Das ist ganz große Schauspielkunst.

Eine Überraschung ist es, dass die zwei Teile des Stücks nicht chronologisch sondern szenenweise ineinander geschachtelt erzählt werden. Die Vorbereitung des Attentats, das Scheitern im ersten Anlauf, die Auseinandersetzung über Maß und Unmaß revolutionärer Gewalt und schließlich das erfolgreiche Werfen der Bombe auf die Kutsche des Großfürsten aus dem ersten Teil wechseln mit den Gefängnisszenen des zweiten Teils – Janeks Warten auf seine Verurteilung, das Gespräch mit seinem Mitgefangenen und Henker Foka, das Verhandlungsangebot des Polizeikommandanten, der Besuch der Großfürstin. Ein inszenatorischer Kunstgriff, der erstaunlich gut funktioniert und zu einer spürbaren Verdichtung führt.

Und das fortgeschrittene Alter der Revolutionäre? Was tut es dem Ganzen nun hinzu, das mehr wäre als ein selbstverliebter Einfall des Regietheaters? Eine ganze Menge. Es ist ungefähr so, als würde man in einem vertrauten Zimmer plötzlich eine andere Beleuchtung anstellen. Die Gegenstände sind immer noch dieselben, sie sind immer noch vertraut, und trotzdem nimmt man sie anders war. Es macht einen Unterschied, ob die großen Ideen und Ideale, um die es geht, von jungen Heißköpfen, Schwärmern, Radikalen, Träumern verhandelt werden, die bereit sind, sich dafür zu opfern. Oder ob die großen Ideen und Ideale schon auf dem Prüfstand der Jahre gestanden haben. Ob sie den Jahren stand gehalten haben. Ob einer über die Jahrzehnte hinweg verhärtet, oder ob es einem gelingt, ein Leben lang für eine Sache zu brennen. Ob eine am Anfang oder am Ende des Weges sagt: „Wir sind auf dem falschen Weg. Der richtige Weg führt zum Leben, zur Sonne.” Es ist, als ob sich die Dinge schärfer abzeichnen in diesem Licht.

Langweilig? Keine Spur. Ich würde mir diese Inszenierung ohne zu Zögern ein zweites Mal ansehen.

Die fantastischen Schauspieler, die diesen Abend tragen, sollen wenigstens genannt sein:
Marianne Hoika als Dora
Michael Abendroth als Iwan Kaljajew (Janek)
Wolf Aniol als Stepan Fjodorow
Reinhart Virchow als Boris Annenkow (Borja)
Andreas Weissert als Alexej Woinow
Dirk Ossik als Polizeivorsteher Skuratow
Winfried Küppers als Foka (Gefangener und Henker)
Louisa Stroux als Die Großfürstin.

Noch zwei Mal gibt es die Gelegenheit, das Stück zu sehen: am 27. April und beim Theatertag am 26. Juni, jeweils 19.30 Uhr. Zum Stücktrailer geht es hier; Infos und Karten hier.

Verwandte Beiträge:
Revolutionäre langweilen, Handpuppen rauben den Atem
Ganz nah dran: „Die Gerechten“ als Kammerspiel in Bonn
„Die Gerechten“ am Staatstheater Mainz
„Die Gerechten“ im Schauspielhaus Hamburg
Die Gerechten: Eine ganz besondere Hörbuchperle

Von Liebe und Revolution

Veröffentlicht unter Bühne/ Film/ Fernsehen, Kritiken von Anne-Kathrin Reif | Verschlagwortet mit , , | Ein Kommentar

Prosaische Gedanken zur ganz alltäglichen Auferstehung

Es ist Ostern. Ich habe keinen passenden Camus-Osterbeitrag parat. Danach suchte ich schon vor zwei Jahren vergebens, und dann begegneten mir am Ostersonntag doch noch unversehens Sisyphos und Christus in Baden-Baden auf einem Blumenkübel. Aber auf solche Zufälle kann man nicht zählen. Zwischen dem heutigen und dem vorherigen Beitrag hier im Blog liegen fast drei Wochen, was so ziemlich die längste Pause ist, die es seit dem Start am 1. Januar 2013 gab. Das österlichste an diesem Beitrag ist mithin, dass der Blog damit eine Auferstehung feiert, nachdem er völlig vom ganz normalen 40-Stunden-Job-Alltag verschluckt worden war. Und was soll ich sagen: Es hat mir nicht gut getan. Zu wenig Camus im Leben, das ist so, wie wenn man die besten Freunde zu lange nicht sieht. Man kann sich sicher sein, dass sie einem nicht gleich abhanden kommen (sonst wären es ja nicht die besten Freunde), aber anfangs noch unmerklich, dann immer deutlicher gerät das Seelenleben in eine Schieflage. Da fehlt ein Nährstoff, ohne den es zu Mangelerscheinungen kommen muss. Das Blöde ist: Je mehr etwas fehlt, umso größer wird die Schwierigkeit, die Lücke zu füllen. Man hat zu viel gearbeitet und zu wenig auf sich geachtet, und jetzt bräuchte man eigentlich sechs Wochen Inselurlaub, den es natürlich nicht geben wird. Man hat die vor langem ausgesprochene Essenseinladung nicht eingelöst und glaubt, nun müsse es mindestens ein sternetaugliches Fünf-Gang-Menü werden. Man hat einen Brief zu lange unbeantwortet gelassen und meint, das nur noch mit einem extralangen Brief wieder gut machen zu können, weshalb es noch länger dauert, bis man ihn schreibt oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr schreibt. Wie oft bin ich schon in diese selbst gestellte Falle getappt. Ein von Herzen kommender Gruß auf einer Postkarte wären allemal besser gewesen als der nicht mehr geschriebene Brief. Die Freunde wären auch mit einer Schüssel Pellkartoffeln zufrieden gewesen. Und statt damit zu hadern, dass es in meinem Leben gerade keine Freiräume mehr gibt, um mich durch die sich stapelnden Camus-Neuerscheinungen zu arbeiten, hätte ich lieber einfach mal ab und an das Notizbuch mit meinen Lieblingszitaten aufschlagen sollen.

Zu denen gehört zum Beispiel dieses hier:

„Was ich mir jetzt wünsche, ist nicht, glücklich zu sein, sondern nur, bewusst zu sein. Man vermeint, von der Welt getrennt zu sein, aber es genügt, dass ein Olivenbaum im goldenen Staub aufragt, es genügt, dass ein paar Flecken Strand in der Morgensonne aufblitzen, damit man diesen Widerstand in sich dahinschmelzen fühlt. So ergeht es mir. Ich werde mir der Möglichkeiten bewusst, für die ich verantwortlich bin. Jede Minute des Lebens trägt in sich ihren Wert als Wunder und ihr Gesicht ewiger Jugend.“ 

Zugegeben: Olivenbaum und Strand in der Morgensonne erleichtern einem die Sache. Aber ich habe es ausprobiert: Wenn man stattdessen „Kastanienbaum“ oder „Magnolie“ und „Wiese“ oder „Wupperufer“ einsetzt, funktioniert es auch. Eine kleine Auferstehung im Alltag. Probieren Sie es doch mal aus. Frohe Ostern!

xx 

xxx
xx

Zitat: Albert Camus, „Tagebücher 1935-1951“. Deutsche Übersetzung von Guido G. Meister. Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1963, S. 12. Eintrag vom Januar 1936.

Verwandte Beiträge: 
Sisyphos trifft Christus auf dem Blumenkübel oder immer nur ein Schritt bis zu Camus

Ich widme diesen Beitrag allen Freunden, die ich schon viel zu lange nicht gesehen habe, und allen Menschen in meinem Leben, deren Briefe schon zu lange unbeantwortet sind, insbesondere meiner Freundin Sabine, die als eine der letzten noch wunderschöne handgeschriebene und mit Malereien geschmückte Briefe verschickt.

Veröffentlicht unter Zitat des Tages | Verschlagwortet mit , | 4 Kommentare

„Das Missverständnis“ am Max Reinhadt-Seminar – mit Inzest und Bachkantaten

Marie-Luise Stockiger als Martha in "Das Missverständnis" von Albert Camus am Max Reinhardt Seminar in Wien. ©Foto: David Stöhr

Marie-Luise Stockiger als Martha in „Das Missverständnis“ von Albert Camus am Max Reinhardt Seminar in Wien. ©Foto: David Stöhr

Ich vermute mal stark, die meisten Blog-Leser*innen werden genauso wenig wie ich Gelegenheit haben, heute Abend spontan in Wien ins Theater zu gehen – aber der (immer angestrebten aber nie erreichbaren) Vollständigkeit halber will ich doch meine Entdeckung weitergeben, dass auch in der Donaustadt gerade eine neue (und offenbar interessante) Inszenierung von Camus‘ Das Missverständnis gespielt wird: Evgeny Titov hat mit der Regiearbeit am renommierten Max Reinhardt Seminar sein Vordiplom bestritten. Nach der Premiere am 12. März und zwei weiteren Vorstellungen ist seine Inszenierung heute noch einmal auf der Neuen Studiobühne des Reinhardt-Seminars zu sehen. Eine schöne Herausforderung für einen jungen Regisseur, aus der vordergründigen „Krimi“-Handlung des Stücks die Tiefendimension von Camus‘ Philosophie des Absurden herauszuarbeiten, und glaubt man der sehr einlässlichen Kritik von Elisabeth Ritonja auf European Cultural News, scheint das auch trotz Textstrichen und aus der Ferne erstmal seltsam anmutenden Einschüben wie einer Inzestszene zwischen Jan und seiner Schwester Martha und Musik von Johann Sebastian Bach durchaus gelungen: „Der abwesende Gott ist sichtbar“ fasst der Titel ihrer Kritik die Essenz der Inszenierung prägnant zusammen.

Vorstellung: Heute, 16. März, 19.30 Uhr, Neue Studiobühne im Max Reinhardt-Seminar, Institut für Schauspiel und Schauspielregie der Universität für Musik und darstellende Kunst im Palais Cumberland, Penzinger Straße 9, Wien, Info hier.

Veröffentlicht unter Bühne/ Film/ Fernsehen | Verschlagwortet mit , , , | Ein Kommentar

Zum Weltfrauentag: Eine kleine Hommage an Camus‘ Frauen

»In meinem Alter weiß man, dass das Leben nicht gut ist. Aber wenn das Böse schon auf der Erde ist, warum dann noch dazu beitragen wollen?« (1)

Das Zitat zum Sonntag spricht heute Caesonia, Caligulas ältere und von ihm ziemlich schlecht behandelte Geliebte. Vergeblich versucht sie ihn, der (in Camus‘ Lesart) aus maßloser Enttäuschung darüber, wie schlecht die Dinge in der Welt eingerichtet sind, zum maßlos Tod und Verderben austeilenden Tyrannen geworden ist, in seiner existenziellen Einsamkeit zu trösten und ihm einen anderen Weg als den der Zerstörung aufzuzeigen: »Gebrauche deine Macht, um das, was noch geliebt werden kann, inniger zu lieben. Auch das Mögliche verdient, dass ihm seine Möglichkeiten gewährt werden«. (2)

Man möchte diese Worte auch heute noch so manchem Mann an der Macht zurufen, nur würden sie leider auch heute vermutlich nichts ausrichten. Caesonia bewahrt Caligula nicht vor dem Untergang – und auch sich selbst nicht, denn ihre Liebe zu ihm ist zu groß, um sich selbst zu retten. Eine Liebesfalle, in die Frauen auch heute noch oft genug hineintappen. Einmal mehr staune ich über die Zeitlosigkeit von Camus.

Die Frauen im Werk von Camus: Sie setzen sich nicht durch, sie scheitern, sie halten kein Unheil auf (und richten, wie Martha und ihre Mutter in Das Missverständnis, auch selber einiges an). Aber sicherlich nicht zufällig sind sie es auch, denen Camus die Aufgabe zuweist, für die Liebe einzutreten – mithin für jene Kraft, die das in die Zerstörung führende Absolutheitsstreben und Absolutheitsdenken ins Maß zu bringen vermag. Caesonia in Caligula, Maria in Das Missverständnis, Dora in Die Gerechten: Sie sind die verkannten Heldinnen des Absurden, weil sie nicht müde werden, den Stein ihrer Liebe zu rollen; sie sind es, die den Weg bahnen, der aus der Sackgasse des Absurden hinausführt. (3)

Deshalb widme ich meinen kleinen Beitrag am heutigen Weltfrauentag den von den Interpreten so häufig verkannten Frauen im Werk von Albert Camus. (4)

Das schöne Zitat von Caesonia aus Caligula gibt mir noch Gelegenheit für einen Nachtrag zum März-Programm: Das Theater Regensburg bringt am 27. März Caligula in einer Inszenierung von Charlotte Koppenhöfer zur Premiere. Eine Einführungsmatinée dazu gibt es bereits am Sonntag, 22. März, 11 Uhr; weitere Vorstellungen laufen bis 12. Juli 2015.

 

(1) Albert Camus, Caligula, in: Dramen. Aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1962, S.27.  (2) a.a.O. (3) vgl. dazu Anne-Kathrin Reif, Vom Absurden zur Liebe – der unbekannte Camus, in: Willi Jung, Albert Camus oder der glückliche Sisyphos, V&R, Bonn 2013, S. 119 ff. (4) Ein prominentes jüngeres Beispiel für die Verkennung der Bedeutung der weiblichen Personen im Werk von Camus gibt Iris Radisch, wenn sie schreibt: „Mütter sind die einzig bedeutenden Frauenfiguren in seinem Werk“ (Camus. Das Ideal der Einfachheit, Rowohlt. Reinbek b. Hamburg 2013, S. 17).
Veröffentlicht unter Bühne/ Film/ Fernsehen, Leben und Werk, Zitat des Tages | Verschlagwortet mit , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Camus bei der lit.cologne – und mehr im März

Szene aus der Bühnenadaption des Frings-Ensembles von "Die Pest". Andreas Meininger spielt alle Rollen.©Foto: Lilian Szokody

Szene aus der Bühnenadaption des Fringe Ensembles von „Die Pest“. Andreas Meidinger spielt alle Rollen.©Foto: Lilian Szokody

Hoppla, kann es denn wahr sein, dass da schon wieder eine „1.“ im Kalender steht? Der Monat ist wieder einmal nur so durchgerauscht, und das liegt nicht nur daran, dass der Februar nun tatsächlich besonders kurz ist. Aber gut. Blick nach vorn. Auch der März hält wieder viel Camus bereit – es ist diesmal allerdings nicht viel Neues dabei. Beim Fringe Ensemble in Bonn ist die Bühnenadaption von Camus‘ Roman Die Pest mit meist ausverkauften Vorstellungen im Theater im Ballsaal so erfolgreich gelaufen, dass sie noch weitere vier Mal auf dem Spielplan steht, nämlich am 6. 7., 27. und 28. März. In der Inszenierung von Frank Heuel übernimmt Andreas Meidinger alle Rollen, was den Kritiker Stefan Keim immerhin überzeugt hat: „Andreas Meidinger bewegt sich quasi tänzerisch von einer Figur in die andere. … eine hochinteressante Rauminstallation. … eine sehr dichte, sehr ruhige Aufführung, in der man als Zuschauer selbst denken darf – das ist schön“, urteilte er in der Sendung Mosaik auf WDR 3.

Ebenfalls in Bonn hat das dortige Euro Theater Central weiter seine Dauerbrenner im Programm: Der Fremde am 3. und 4. März, und Die Gerechten am 12. und 13. März, beides in der Regie von Jan Steinbach. Nicht weit ist es von dort nach Düsseldorf… Wer jedoch noch die Inszenierung von Die Gerechten am dortigen Schauspielhaus sehen möchte, muss sich (wie ich) beeilen: Die vorletzte Vorstellung steht am 20. März an.

Weiter geht’s in südliche Richtung, wo man, wenn man wollte, drei verschiedene Inszenierungen von Das Missverständnis miteinander vergleichen könnte: Im Theater Baden-Baden am 8., 11., und 12. März, beim ambitionierten Amateurtheater  s’ Bühneli  in Lörrach am 6., 7., 20. und 21. März, und beim Figurentheater von Nikolaus Habjan am Schauspielhaus Graz am 20., 24. und 31. März. Wem es nach Graz zu weit ist, der kann sich schon einmal den 14. Mai vormerken, wenn die Inszenierung beim Figurentheaterfestival in Fürth zu sehen sein wird.

Und wenn wir gerade schon einmal dabei sind, weiter vorauszuschauen: Am 7. Juni liest der großartige Ulrich Matthes bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen Der Fremde.

Bei so viel Camus gibt es leider auch einen Wermutstropfen: Die vielleicht spannendste Veranstaltung im März ist schon ausverkauft, und ich habe sie zu spät entdeckt. Beim diesjährigen Literaturfestival lit.cologne in Köln ist ein Abend am 21. März im Kölner Dom Albert Camus gewidmet, bei dem die Confessiones (Bekenntnisse) des heiligen Bischofs und Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (geschrieben um das Jahr 400) mit Camus‘ unvollendetem autobiografischem Roman Der erste Mensch kontrastiert werden. Eine durchaus sinnreiche Gegenüberstellung, hat sich Camus in seiner philosophischen Diplomarbeit doch eingehend mit dem ebenfalls in Nordafrika geborenen heiligen Augustinus beschäftigt. In der Ankündigung der lit.cologne heißt es: „Der Autor (gemeint ist Augustinus) bietet darin neben theologischen und geschichtsphilosophischen Betrachtungen auch ein autobiografisches Psychogramm weit vor der eigentlichen Zeit des Genres. Die Spiegelung mit Albert Camus’ nachgelassenem autobiografischem Fragment Der erste Mensch wird zum literarischen Dialog zwischen Antike und Moderne über die zeitlose Frage des Menschen nach seinem Woher und Wohin.“ Und um allen, die wie ich keine Karte haben, den Mund noch wässriger zu machen: Es lesen zwei der interessantesten Schauspieler, die wir hierzulande so haben, nämlich Matthias Brandt und Maria Schrader, und Musik vom Vokalensemble Kölner Dom gibt’s auch noch dazu.  Aber es hilft ja nix. Irgendjemand unter den Blog-Lesern, der eine Karte ergattert hat? Dann berichten Sie mir doch davon! In diesem Sinne sage ich einmal mehr à bientôt und wünsche allen einen schönen März, mit oder ohne Camus.

Veröffentlicht unter Bühne/ Film/ Fernsehen | Verschlagwortet mit , , , , , , | 2 Kommentare

Aquamediale 2015: Wie Albert Camus in den Spreewald kam

Landschaft aus Wald und Wasser – der Spreewald bei Lübben. ©Foto: Rauni Schulze

Landschaft aus Wald und Wasser – der Spreewald bei Lübben. ©Foto: Rauni Schulze

Angetan mit einem schwarzen Mantel und düster-melancholischen Blick stakt der stiernackige Kommissar mit dem mächtigen kahlen Schädel seinen schwankenden Nachen durchs trübe Wasser, als sei er der Fährmann persönlich, der einen Toten über den Styx ins Schattenreich geleitet. Dabei sucht er doch im Gegenteil nach dessen Mörder in diesem Labyrinth der Wasserwege, durch die so herrlich unheimlich der Nebel wabert… Dass findige Fernsehmacher dem Spreewald, dieser so geheimnisvoll und auf eigentümliche Weise exotisch anmutenden Landschaft, eine eigene Krimiserie auf den grünen Leib geschneidert haben, wundert einen nicht. Dass es von hier aus eine Verbindung zu Camus geben soll umso mehr. Ist ein größerer Kontrast denkbar zur sonnengesättigten, wüstennahen mittelmeerischen Heimat Camus‘, die sein Denken so sehr geprägt hat, als die nordisch-kühle grüne Wasserlandschaft des Spreewaldes?

Auf Wasserwegen durch den Spreewald. ©Foto: Rauni Schulze

Auf Wasserwegen durch den Spreewald. ©Foto: Rauni Schulze

Und doch: Die Aquamediale 2015, das bis dato jährlich stattfindende Kunstfestival in der Spreewald-Region, sei von Camus inspiriert, verrät die Pressemitteilung des Amtes für Bildung, Sport und Kultur des Landkreises Dahme-Spreewald. „Zehn Künstlerinnen und Künstler werden unter dem Titel Metamorphosen die Veränderungen und Wandlungen der Spreewaldregion, ihrer Landschaft und der Menschen künstlerisch bearbeiten und umsetzen“, heißt es dort. Ich wollte es genauer wissen, und habe die Kuratorin der diesjährigen Aquamediale Petra Schröck befragt.

Frau Schröck, mit ihrem Konzept, zeitgenössische Kunst mit Albert Camus  zu verbinden, konnten sie sich im Dezember 2014 in den Auswahlgesprächen für die künstlerische Leitung der diesjährigen „Aquamediale“ durchsetzen. Carsten Saß, Kulturdezernent des Landkreises Dahme-Spreewald, sprach von einem „äußerst interessanten Konzept“. Wie sieht denn dieses Konzept genau aus, und welche Rolle spielt Albert Camus darin?

Petra Schröck: Albert Camus notierte einst in sein Tagebuch die zehn wichtigsten Wörter seines Lebens: die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer. Es sind seine persönlichen Lebenswörter, die aber in ihrer Bedeutungsvielfalt und Allgemeinheit für viele Menschen existenziell sind. Ausgehend von Camus, gelebtes Leben in zehn abstrakte Begriffe zu verwandeln, werden zehn zeitgenössischen Künstlern zehn Begriffe, die charakteristisch für die Spreewaldregion sind, zur Auswahl gegeben, um daraus ein temporäres Kunstwerk für den öffentlichen Landschaftsraum zu entwickeln. Dieser Prozess stellt eine Metamorphose vom konkreten Wort zum realen Kunstwerk dar. Die Begriffe sind ein Konzentrat sowohl für die Spezifik als auch die Bandbreite der Spreewaldregion und bleiben während der Vorbereitungsphase variabel: das Binnendelta, die Schleuse, der Übergang, die Fährleute, die Sorben, die Spreewaldgurke, der Hochwald, die Kanäle, die Stille, das Biosphärenreservat.

Die Verbindung zwischen Camus, dem „homme mediterranéean“, und dem Spreewald liegt nicht gerade auf der Hand… Wie kamen Sie auf den Gedanken, beides zusammenzubringen?

Schröck: Für mich ist es immer reizvoll, wenn Verbindungen geschaffen werden, die nicht auf den ersten Blick zwingend sind. Camus hat mich vor allem in der Reduktion auf das Essenzielle, das in einem Begriff – in Sprache – mündet, fasziniert. Auch der künstlerische Prozess ist methodisch eine Reduktion von der Idee über die Ausführung zum fertigen Werk. Die Wörter transportieren dabei ein hohes Assoziationspotenzial, das jeden persönlich anzusprechen vermag. Die Mutter, der Schmerz oder das Meer beispielsweise sind keine philosophischen Schlüsselbegriffe, sondern alltägliche und menschliche, die auch in der Kunst eine große Rolle spielen.

Inzwischen steht fest, welche zehn internationalen Künstler eingeladen sind, Ihr Konzept künstlerisch umzusetzen. Wie geht es jetzt weiter?

Schröck: Zur Zeit besuchten und besuchen die Künstler den Spreewald, machen sich ein Bild von der Landschaft, den möglichen Orten und loten das kuratorische Konzept aus. Sie sprechen mit den Menschen, finden „ihren“ Platz und entwickeln eine Arbeit, die sie Ende Mai an Ort und Stelle installieren werden.

Mit den zehn auf die Spreewald-Region zugeschnittenen Begriffen hat sich das Ganze natürlicher Weise weit von Camus entfernt. Spielt die anfängliche Inspiration durch Camus in der Auseinandersetzung der Künstlerinnen und Künstler trotzdem noch eine Rolle – oder ging es allein um die Initialzündung?

Schröck: Es ging zunächst um die Initialzündung. Aber dadurch, dass die Camus’schen Begriffe im Prozess kommuniziert werden und jeder Künstler eigene Erfahrungen mit Camus verbindet, fließen sie doch in den Entwurf und die Umsetzung der Werke mit ein. Letztendlich kann man Camus‘ Gesamtwerk auch in den Kontext „Metamorphose“ stellen.

Haben Sie schon eine Vorstellung davon, mit welchen Mitteln die Künstler arbeiten werden und wie der Gesamteindruck des Ganzen werden könnte?

Schröck: Die gestalterischen Mittel werden vielfältig sein, das Spektrum der zu erwartenden Arbeiten reicht von Installationen, Interventionen, Malerei, Skulptur, Fotografie bis hin zur Interaktion. Die Themenfelder werden interdisziplinär, zeitkritisch engagiert und aktuell sein. Ganz im Sinne Camus‘ liegt das Ziel des Kunstfestivals nicht im fertigen Kunstwerk, sondern im Prozess der Auseinandersetzung des Künstlers und des Betrachters mit dem Werk. So werden wir versuchen, viele Menschen anzuregen und auch über das Rahmenprogramm miteinzubeziehen. Denn Kunst war für Camus „kein einsiedlerisches Vergnügen“, sondern ein „Mittel, die größtmögliche Zahl von Menschen anzurühren“. Für den Gesamteindruck ist es noch zu früh, auch ist noch nicht klar wie die einzelnen Werke miteinander in Verbindung stehen werden, das alles hängt noch von den einzelnen Arbeiten ab.

Man darf also weiter gespannt sein! Vielen Dank für das Gespräch.

 

Petra Schröck, Kuratorin der "Aquamediale 2015". ©Foto: privat

Petra Schröck, Kuratorin der „Aquamediale 2015“. ©Foto: privat

Die Kuratorin
Petra Schröck, geboren 1965 in Berlin, studierte Kunstgeschichte in Wien sowie Modedesign in Berlin. Nach Jahren in Wien und Graz kehrte sie 2004 nach Berlin zurück, wo sie derzeit die künstlerische Leitung der BrotfabrikGalerie innehat. Sie hat bereits zahlreiche Ausstellungsprojekte kuratiert und Veranstaltungsprogramme organisiert.

Die Künstlerinnen und Künstler
Mario Asef (Argentinien/Deutschland), Dieter Buchhart (Österreich), Marco Evaristti (Dänemark), Joachim Froese (Australien), Blanca G. Gomila (Spanien/Deutschland), Irene Hofmann (Deutschland), Jaqueline Kny (Deutschland) mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Zwei-Sonnen-Projekts, Nicola Rubinstein (Deutschland) Igor Sacharow-Ross (Russland/Deutschland), Udo Wid (Österreich)

Die Aquamediale
Der Landkreis Dahme-Spreewald veranstaltet die aquamediale seit 2005 in Lübben (Spreewald). Das internationale zeitgenössische Kunstfestival ist Bestandteil des brandenburgischen Kultursommers und wird in enger Partnerschaft mit dem Förderverein aquamediale e.V. durchgeführt. Mehr als 100.000 Besucher erleben jedes Jahr die Begegnung mit Werken internationaler bildender Künstler. Neben den Reizen des gestalteten Naturraumes bestimmen Installationen, Interventionen, Objekte und Skulpturen für den Zeitraum von drei Monaten dessen Charakter; hinzu kommt ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Musik, Film, Literatur und kreativen Workshops. Die aquamediale 2015 findet statt vom 6. Juni bis 19. September in der Spreewaldregion in den Orten Lübben, Lübbenau, Straupitz und Golßen. Ab dem Jahr 2015 wird die Aquamediale nur noch im zweijährigen Rhythmus stattfinden. Es wechselt mit der zweiten großen Kunstausstellung des Landkreises, der Spektrale. Mehr Infos: www.aquamediale.de

Die charakteristischen Spreewald-Kähne - hier allerdings nicht ganz fahrtauglich. ©Foto: Petra Schröck

Die charakteristischen Spreewald-Kähne – hier allerdings nicht ganz fahrtauglich. ©Foto: Petra Schröck

Verwandte Beiträge
Eine kleine Meditation für den Tag oder meine bevorzugten Wörter
Ein Lange Liste von Dingen, die man nicht kaufen kann
Von der Würde der Wörter oder über die Frage, ob die Sonne sich abnutzen lässt
Serie Camus‘ Lieblingswörter:  Die Welt  Der SchmerzDie ErdeDie Mutter Die Menschen Die Wüste, Die EhreDas Elend, Der SommerDas Meer (Textauswahl von Andreas Arnold für die Suite Camus):

Veröffentlicht unter (Camus und die) Kunst, Ausstellungen | Verschlagwortet mit , , , , | Ein Kommentar

„Das Missverständnis“ am Theater in Baden-Baden

Szene aus "Das Missverständnis" in der Inszenierung von Nicola May am Theater Baden-Baden. ©Foto: Jochen Klenk

Szene aus „Das Missverständnis“ in der Inszenierung von Nicola May am Theater Baden-Baden mit Mattes Herre (Jan) und Tina Wilhelm (Martha). ©Foto: Jochen Klenk

Besonders freue ich mich immer, wenn ich über den Blog Informationen bekommen, die ich bislang verpasst hatte. So fragt das Theater Baden-Baden freundlich an, ob ich wohl so nett wäre, auch die dortige Inszenierung von Camus‘ Das Missverständnis noch anzukündigen? Aber selbstverständlich, das tue ich doch sehr gern. Das zweifellos düstere und zu Lebzeiten von Camus nicht sonderlich erfolgreiche Stück aus dem Jahr 1944 erlebt in jüngerer Zeit geradezu eine Renaissance. Verwunderlich ist das nicht, denn die zentrale Fragen nach den Voraussetzungen und Bedingungen eines glücklichen Lebens, nach Heimat und Fremde, Wahrhaftigkeit und Lüge, Schicksal und Zufall sind schließlich zeitlos aktuell. Absurdität, Freiheit, Mord, Schuld, Liebe… es sind große Themen, die sich daran knüpfen – stets eine Herausforderung, diese Vielschichtigkeit auf der Bühne angemessen umzusetzen. Nach Heilbronn, Solingen (in 2014), Graz und Lörrach hat sich nun also in Baden-Baden die Intendantin Nicola May dieser Aufgabe angenommen, und einmal mehr tut es mir leid, das Ergebnis nicht selbst in Augenschein nehmen zu können. Premiere war bereits am 30. Januar.

Info:
Theater Baden-Baden, Vorstellungen wieder am 13. und 21. Februar: 20 Uhr, am 22. Februar: 15 Uhr, 8. März: 19 Uhr, 11. und 12. März: 20 Uhr. Infos/Karten

 

Verwandte Beiträge:
Camus im Februar: Missverständnisse, Revolutionäre und ein Caligula von monströser musikalischer Wucht
Revolutionäre langweilen, Handpuppen rauben den Atem
Erfolgreiche Premiere: Ensemble Profan bringt “Das Missverständnis” in Solingen auf die Studiobühne
Der Schnee, das Missverständnis, der Nebel und die Liebe
Sisyphos trifft Christus auf dem Blumenkübel – oder: Immer nur ein Schritt bis zu Camus

 

Veröffentlicht unter Bühne/ Film/ Fernsehen | Verschlagwortet mit , , , , | Schreib einen Kommentar

Bonne anniversaire, Madame Gréco!

Juliette Greco – Les Feuilles Mortes – YouTube.

Heute ist sie 88 Jahre alt geworden: Juliette Gréco – und nein, ich schreibe jetzt nicht „die Muse der Existenzialisten“, was ja als eine Art zweiter Nachname zu ihr gehören zu scheint. Zwar hat die einst berückend schöne junge Frau unbestritten die Vertreter dieser ganzen Szene inspiriert – aber sie als „Muse“ darauf zu reduzieren wird dieser großartigen Künstlerin, deren Stimme und Lieder bis heute unter die Haut gehen, einfach nicht gerecht. In aller Ausführlichkeit habe ich Juliette Gréco, für die Sartre nachgewiesener Weise, Camus aber nur angeblich Chansons geschrieben hat, bereits 2013 einen Beitrag gewidmet, das brauche ich hier und jetzt nicht wiederholen. Nur noch einmal dieses wunderbare Zitat aus ihrer Biografie, das so seelenverwandt zu Camus klingt. Bonne anniversaire, Madame Gréco!

„Bis zum letzten Tag meines Lebens werde ich für das Recht der Menschen kämpfen, glücklich zu werden. Ich werde also kämpfen gegen den Terror, gegen die geistige Bevormundung, gegen die Gleichgültigkeit und für das einzige Gut, das zu bewahren es sich um jeden Preis lohnt: die Freiheit. Die Freiheit, so zu leben, wie es uns gefällt, die Freiheit, lachen zu dürfen, die Gedankenfreiheit, die Freiheit, uns zu verschenken und den und das zu lieben, dem wir von ganzem Herzen zugetan sind.” (1)

 

(1) Juliette Gréco: So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren. C. Bertelsmann Verlag 2012. Es handelt sich um den Anfang des Kapitels “Die Macht der Worte”, zitiert aus der E-Book-Version)

Verwandte Beiträge:
Die schwarze Sonne glüht noch immer

Veröffentlicht unter Begegnungen | Verschlagwortet mit | Ein Kommentar

Camus im Februar: Missverständnisse, Revolutionäre und ein Caligula von monströser musikalischer Wucht

Am Staatstheater Hannover begeistert Detlef Glanerts Oper "Caligula" in der Inszenierung von Frank Hilbrich Publikum und Kritiker. Im Bild Ralf Lukas in der Titelpartie, im Hintergrund der Chor. ©Foto: Thomas M. Jauk/ Stage Picture

Am Staatstheater Hannover begeistert Detlev Glanerts Oper „Caligula“ Publikum und Kritiker. Im Bild Ralf Lukas in der Titelpartie, im Hintergrund der Chor. ©Foto: Thomas M. Jauk/ Stage Picture

Dass der Februar bereits begonnen hat, die Monatsvorschau im Blog aber noch fehlt, bedeutet einzig und allein, dass ich noch nicht dazu gekommen bin. Und nicht etwa, dass es nichts zu berichten gäbe von Camus auf den Bühnen (und anderswo). Auch wenn die ehrenwerte taz in der Besprechung der im Laika-Verlag jetzt herausgekommenen zweibändigen Ausgabe von Camus‘ Combat-Texten gleich mit der Behauptung einsteigt: «Um den Literaturnobelpreisträger Albert Camus (1913–1960) ist es ruhig geworden. Seine beiden Erfolgsromane, „Der Fremde“ (1942, dt. 1948) und „Die Pest“ (1947, dt. 1948), werden zwar noch gelesen, aber seine Stücke sind von deutschen Bühnen seit Jahren so gut wie verschwunden.» Was mich dann doch etwas gewundert hat. Vielleicht hätte der Kollege einfach mal hier im Blog unter Camus 2013, 2014 und 2015 nachschauen sollen? Aber geschenkt. Dass diese Texte in der Übersetzung von Lou Marin nun endlich auf deutsch vorliegen, kann man jedenfalls gar nicht genug würdigen – und auch ich will das natürlich noch tun, sobald ich mich ein wenig hineinvertieft habe.

Nun aber zu „Camus im Februar“. Der begann, wie schon angekündigt, mit dem Auftritt von Rupert Neudeck bei der Deutschen Camus-Gesellschaft in Aachen. Noch in den Januar hätte streng genommen eine (weitere) Premiere von Das Missverständnis gehört, an das sich das Amateurtheater S’Bühneli in Lörrach herangetraut hat (Regie: Kerstin Kapfer). Nach der Premiere am 31. Januar gibt es weitere Vorstellungen am 6., 7., 27. und 28. Februar. Die unkonventionellere Fassung des Stücks, nämlich als Menschen-und-Figuren-Theater von Nicolaus Habjan am Schauspielhaus Graz, steht erst wieder Ende des Monats, am 28. Februar auf dem Programm. Am 6. Februar kann man sich zwischen der Inszenierung von Die Gerechten am kleinen Euro-Theater in Bonn und jener am großen Düsseldorfer Schauspielhaus entscheiden. Ersteres spielt tags darauf, 7. Februar, auch wieder seine Bühnenfassung von Der Fremde.

Da ist jetzt, zugegeben, nichts Neues dabei, das wirklich aufhorchen ließe. Aber halt: Das vielleicht Aufregendste in Sachen Camus auf der Bühne hatte ich im Januar übersehen, nämlich die Premiere der Caligula-Oper von Detlev Glanert in der Inszenierung von Frank Hilbrich am Niedersächsisches Staatstheater Hannover. Premiere war bereits am 17. Januar, und die Kritiken sind überschwänglich. Einen „starken Musiktheaterabend“ bescheinigt etwa die Hannoversche Allgemeine und schreibt: „Dieser Caligula vibriert in seiner Monströsität, er ist zynisch, aber auch alptraumverloren.“ Zwar habe die Vertonung des Caligula-Stoffes auch zwiespältige Eindrücke hinterlassen, meint der Rezensent der Celleschen Zeitung, doch sei der Abend in der Staatsoper „der Durchbruch für das Stück“ gewesen. Gerhard Eckes (Der Opernfreund) findet: „In der Neuinszenierung von Frank Hilbrich ist in jeder Minute packendes Musiktheater gelungen, was für eine zeitgenössische Oper nun wahrlich nicht selbstverständlich ist“. „Eine bemerkenswert gelungene Produktion“, befand die Süddeutsche Zeitung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb anerkennend: „Eine schöne, einleuchtende Arbeit.“ Und Uwe Friedrich berichtet in seiner Premierenkritik in Deutschlandradio Kultur von Begeisterungsstürmen des Publikums und beschreibt die musikalische Wucht dieser 2006 in Frankfurt/Main uraufgeführten Oper hübsch anschaulich: Gegen Glanerts Caligula sei Strauss‘ Elektra ein lindes Lüftchen. Auch in der Neuinszenierung von Frank Hilbrich sei die Musik „überwältigend und bläst einen so richtig weg“. Da weiß man doch, worauf man sich einlässt. Weitere Vorstellungen: 11. und 21. Februar. Im Anschluss an die letzte Vorstellung am 21. Februar gibt es ein Publikumsgespräch mit Regisseur Frank Hilbrich. Info

Ein erhellendes Interview mit dem Komponisten Detlev Glanert findet sich in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hier.

Zu guter letzt gibt es mit dem Stück Das bittere Haus noch eine interessante Verschmelzung von Camus und Nietzsche. „Basierend auf dem Drama Das Missverständnis von Albert Camus und dem Gedicht Klage der Ariadne von Friedrich Nietzsche reflektiert der Abend die Frage, wie aus einem Menschen ein Täter wird“, heißt es in der Ankündigung, und weiter: „Der iranische Regisseur Mahmoud Sabahy und die Schauspielerin Ulrike Zeitz arbeiten im Widerhall ihrer Herkunft und Geschichte in aphoristischer Verdichtung und beleuchten, welche Missverständnisse zwischen westlicher und orientalischer Kultur bestehen.“ Gespielt wird in der Leipziger Moritzbastei am 5. Februar, 20.30 Uhr. Mehr Infos hier.

 

Veröffentlicht unter Bühne/ Film/ Fernsehen | Verschlagwortet mit , , , , , , , , | 2 Kommentare