Der Monatsüberblick: Camus im Mai

"Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt" – Marcel Kohler setzt sich an der Hochschule Ernst Busch in Berlin mit den "Gerechten" auseinander. ©Foto: Jan Hellerung

„Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt“ – Marcel Kohler setzt sich an der Hochschule Ernst Busch in Berlin mit Die Gerechten auseinander. ©Foto: Jan Hellerung

Dass ich mir jetzt am ersten endlich (!) sonnigen Mainachmittag einen Ruck gebe, um über das Camus-Programm des Monats zu berichten (jedenfalls über das, was ich davon aufgeschnappt habe), hat vor allem einen Grund: Es gibt am 13. Mai eine der seltenen Gelegenheiten, meinen Lieblings-Caligula zu sehen, und das sollte man natürlich nicht verpassen. Blog-Leser*innen, die schon länger dabei sind, wissen, dass es sich dabei um die Inszenierung von Mario Massafra im kleinen Off-Theater Rottstraße 5 in Bochum handelt (nachzulesen hier im Blog).

Wenn nicht so viel Strecke dazwischen läge, würde sich dann auch sogleich noch der direkte Vergleich mit einer veritablen Stadttheater-Inszenierung anbieten, denn auch das Theater Chemnitz hat Caligula weiterhin im Spielplan, nämlich am 4. und am 14. Mai (Regie: Robert Czechowski). Am 14. findet vor der Vorstellung um 19.30 Uhr von 17 bis 19 Uhr dortselbst ein offener Workshop für alle interessierten Zuschauer*innen statt und im Anschluss an die Vorstellung ein Publikumsgespräch (weitere Infos und Anmeldung hier). Zur Inszenierung kann ich leider nichts sagen, da ich sie nicht gesehen habe – anders als Nikolaus Habjans Menschen-Figurentheater-Version von Das Missverständnis am Volkstheater in Wien, die dort am 8. und am 29. Mai wieder zu sehen sein wird: Meine Hymne auf dieses Theatererlebnis kann man hier im Blog nachlesen.

Das Bonner Euro-Theater, wo Die Gerechten und Der Fremde verlässlich dauer-läuft, macht diesen Monat mal Camus-Pause (bzw. nur eine geschlossene Vorstellung), aber Die Gerechten entdeckte ich noch bei der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Der zunächst verblüffende Doppeltitel Die Gerechten / Das fahle Pferd erweist sich bei näherem Hinschauen als sinnreiche Kombipackung, wird hier Camus‘ Revolte-Drama doch kombiniert mit dem Tagebuchroman des russischen Terroristen Boris Sawinkow, der Inspiration und Wurzel der Geschichte. „1949 wird das Drama uraufgeführt: In Paris. Seitdem wird alles komplizierter, komplexer, katastrophaler. Statt Zaren verenden Zivilisten auf dem Asphalt. Weltsprache Terror. Ein Grund mehr, diese großen Schatten heraufzubeschwören“, heißt es in der Ankündigung treffend (Regie und Bühne: Marcel Kohler). Vorstellungen am 27. und 28. Mai, mehr Infos hier.

Zu guter Letzt noch ein Hinweis auf den monatlichen Jour Fixe bei der Deutschen Albert Camus Gesellschaft in Aachen: Beim nächsten Termin am Dienstag, 3. Mai, lesen Teilnehmer*innen des (offenen) Gesprächskreises unter dem Titel „Mein Camus“ Ausschnitte aus „Lieblingstexten“, darunter solche aus Der Wind in Djemila, Hochzeit des Lichts, Für Dostojewski aus Libertäre Schriften, Der treibende Stein und andere. Beginn: 20 Uhr im Logoi, Jakobstraße 25, in Aachen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch noch eine Ausstellung, die zwar nicht von Albert Camus handelt, aber von der Albert Camus Gesellschaft organisiert wird: nämlich eine Ausstellung über die aktuellen Hilfsprojekte der „Grünhelme e.V.“, der Hilfsorganisation von Rupert Neudeck, der sich in seinem lebenslangen humanitären Engagement ausdrücklich und immer wieder auf Camus bezieht (10. Mai bis 2. Juni in der Citykirche Aachen, Großkölnstraße). Am 3. Juni wird es bei der Camus-Gesellschaft übrigens eine hoffentlich interessanten Abend zum Thema Camus und die Liebe geben, aber davon erzähle ich dann beim nächsten Mal.

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Von kostbarer Vollkommenheit und geheimer Not – mit Camus auf Reisen in Österreich

Von links nach rechts und oben nach unten: Salzburg, Mirabell-Garten; Wien, Pestsäule am Graben; Wien, Sezession; Wien, Café Ritter. ©Fotos: Anne-Kathrin Reif

Jetzt also Wien. Und überhaupt: Österreich. Pardon, dass es etwas länger gedauert hat vom letzten bis zu diesem Blogbeitrag, aber in diesem Land muss man nun einfach mal die Seele baumeln lassen, ohne gleich loszuschreiben. Auch die Notizen des jungen Camus während seiner Reise durch Österreich im Sommer 1936 sind übrigens ausgesprochen spärlich. „Ich habe wenig geschrieben und gelesen, aber viel empfunden (und gesehen) und erlebt“, schreibt er unterwegs am 22. August 1936, schon gegen Ende der Reise, an Jean Grenier (1). Genau so geht es mir auch. Allerdings darf man berechtigte Zweifel daran haben, ob ihm das mit dem Seele baumeln lassen ähnlich leicht gefallen ist wie mir. Die Bedingungen dafür standen bei ihm auch wirklich nicht zum Besten.

Anfang Juli 1936 hat der 22-Jährige bereits sein Diplom in Philosophie in der Tasche und bricht  gemeinsam mit seiner jungen Frau Simone Hié und dem befreundeten Englischlehrer Yves Bourgeois zu der Reise nach Mitteleuropa auf. Bourgeois ist begeisterter Kajakfahrer, im Jahr zuvor war er von Innsbruck nach Budapest gepaddelt. Jetzt wollen sie gemeinsam die Strecke von Innsbruck bis Kufstein mit dem Boot auf dem Inn zurücklegen. Zunächst fahren sie nach der Mittelmeer-Überquerung aber nach Lyon, wo Bourgeois Lehrer gewesen war, dann weiter im Zug dritter Klasse über die Schweiz nach Österreich, wo sie in Innsbruck übernachten. Schon von dieser Zugreise in der Bretterklasse ist Camus völlig zerschlagen, und außerdem fällt ihm jetzt erst ein, dass ihm aufgrund seiner Lungenerkrankung jede intensive Schultergymnastik verboten ist. Kajakfahren ist unter diesen Bedingungen kein wirklich guter Plan. Während Yves und Simone wie verabredet die Strecke im Kajak zurücklegen, fährt Camus allein mit dem Zug weiter. In seinen Tagebuchnotizen findet sich dazu nichts, aber per Brief berichtet er seinen Freundinnen Marguerite und Jeanne in Algier von den Anstrengungen und schreibt: „…jedesmal, wenn mir wieder bewusst wird, dass ich in Wirklichkeit krank bin, fühle ich, wie weit ich von dem entfernt bin, der ich sein möchte.“ (2) Erschöpfung, das Hadern mit seinen eingeschränkten körperlichen Möglichkeiten, finanzielle Sorgen und völlige Ungewissheit, was seine berufliche Zukunft angeht. Als wacher politischer Kopf geht auch die Entwicklung 1936 in Europa nicht an ihm vorbei. Der Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs fällt in die Zeit der Reise. Spanien – „Camus’ zweite seelische Heimat“, wie Biograf Olivier Todd schreibt (3).

Und dann: Salzburg. Gut drei Wochen nach Beginn und immer noch ziemlich am Anfang der ganzen geplanten Reise erfährt er durch einen eigentlich an Simone gerichteten Brief, dass seine junge Frau ihn betrügt. Weiterlesen

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„Das Missverständnis“ in Wien – ein Theatererlebnis

Das Unglück nimmt seinen Anfang: Jan kommt in die Pension. Foto: ©SeynebSaleh

Figuren und Schauspieler verschmelzen in Nikolaus Habjans Inszenierung von „Das Missverständnis“ am Volkstheater in Wien. ©Foto: www.lupsipuma.com/Schauspielhaus Graz

Wien. Ach, wenn er das doch noch erleben könnte, der Herr Camus. Wieder einmal ist eine Vorstellung vom „Missverständnis“ im prächtigen neobarocken Volkstheater in Wien mit seinen über 900 Plätzen bummvoll, wieder einmal Applaus ohne Ende, das Ganze ist ein Renner, und die Kritiker haben auch gejubelt. Tatsächlich musste Camus erleben, dass sein Stück 1944 bei der Uraufführung im Théâtre des Maturin in Paris komplett durchfiel. Wundern tut’s einen eigentlich nicht, schließlich handelt es sich um eine moderne Tragödie im äußerst düsteren Gewand eines Schauerstücks, an dessen Ende drei der vier Hauptpersonen ermordet oder suizidiert auf  dem schlammigen Grunde eines Flusses vergammeln, und die vierte in der öden böhmischen Pampa verzweifelt und buchstäblich gottverlassen zurückbleibt. Das Wunder ist eher, dass ein junger Grazer Puppenspieler gut 70 Jahre später daherkommt und mit eben diesem Stück Menschen in großer Zahl berührt und bezaubert. In sehr großer Zahl, denn schon am Theater Graz, wo Nikolaus Habjan seine Inszenierung 2014 zuerst herausgebracht hatte, lief sie mit großem Erfolg. Und jetzt also am Volkstheater in Wien, wohin ihn Intendantin Anna Badora bei ihrem Wechsel mitgenommen hat.

Die alte Mutter (Seyneb Saleh) und Martha (Nikolaus Habjan). Foto: ©SeynebSaleh

Die alte Mutter (Seyneb Saleh) und Martha
(Nikolaus Habjan). ©Foto:
www.lupsipuma.com

Wer ein wenig diesen Blog verfolgt, weiß, dass ich zwar versuche, möglichst alles zu erfassen, was von Camus auf deutschsprachige Bühnen kommt, aber keineswegs nun wie verrückt irgendwelchen Vorstellungen hinterher reise. Manchmal schaff’ ich’s ja noch nichtmal im näheren Wuppertaler Umkreis. Aber seit ich anlässlich der Grazer Premiere zum ersten Mal von dieser Missverständnis-Inszenierung las, hatte ich den dringenden Wunsch, diese nun aber ganz bestimmt einmal zu sehen, trifft hier doch meine Camus-Passion auf eine noch ältere Liebe meines Lebens, nämlich das Figurentheater. Und so war nun eine Missverständnis-Aufführung im Volkstheater in der Tat Anlass für einen ohnehin schon längst wieder einmal fälligen Besuch in einer meiner liebsten Lieblingsstädte. Für eine journalistisch saubere Theaterkritik ist dieser Blogbeitrag mithin verloren, dafür war ich einfach, nach allem was ich zuvor schon gesehen und gelesen hatte, zu positiv voreingenommen. Allerdings war für mich die entscheidende Frage schon noch offengeblieben, nämlich wie viel Camus – das heißt wie viel über die vordergründige Schauergeschichte hinaus – in einer Inszenierung als Figurentheater wohl erhalten bleiben würde. Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, das Stück überhaupt noch einmal besser mit „echten“ Schauspielern umgesetzt zu sehen. Die Frage dürfte damit beantwortet sein.

Martha (Nikolaus Habjan). Foto: ©Seyneb Saleh

Martha (Nikolaus Habjan).
©Foto: www.lupsipuma.com

Aber jetzt noch mal von Anfang an. Die Szenerie ist Weiterlesen

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Von der ersten und letzten Liebe – Zufallszitat zum Sonntag (3)

Auf der Mittagshöhe des Denkens lehnt der Revoltierende so die Göttlichkeit ab, um die gemeinsamen Kämpfe und das gemeinsame Schicksal zu teilen. Wir entscheiden uns für Ithaka, die treue Erde, das kühne und nüchterne Denken, die klare Tat, die Großzügigkeit des wissenden Menschen. Im Lichte bleibt die Welt unsere erste und letzte Liebe.“

 

Albert Camus, Der Mensch in der Revolte. Aus dem Französischen übertragen von Justus Streller. Neubearbeitet von Georges Schlocker unter Mitarbeit von Francois Bondy. Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1969, S. 248.

„Zufallszitat zum Sonntag“ – Die Spielregel: blind ins Regal greifen, Buch aufschlagen, mit dem Finger über der Seite kreisen, landen, fertig.

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Albert Camus in New York – „A stranger in the city“

Stranger

©Albert Camus Estate

In der Regel beschränke ich mich hier im Blog ja auf die Ankündigung von Camus-Terminen aus dem deutschsprachigen Raum, so sie mir denn vor die Füße fallen oder ich sie aus dem Netz fische – alles andere würde wirklich zu weit führen. Aber jetzt muss ich mal eine Ausnahme machen, denn in diesem Monat ist New York einfach „the place to be“ für Camus-Freunde. Genau 70 Jahre ist es her, dass Camus seine erste und einzige Reise in die Vereinigten Staaten unternahm und dabei auch New York besuchte. „Am 10. März 1946 geht er in Le Havre an Bord des Frachters Oregon, der auch einige Passagierkabinen hat. Unter den Mitreisenden einige Beamtengattinnen, ein Konsulatsangestellter, ein Pelzhänder und ein Psychiater (…). Die Oregon ist langsam, der Komfort hält sich in Grenzen“, erzählt Camus-Biograf Olivier Todd (1). Die Reise wird vom Kulturaustauschprogramm des französischen Außenministeriums unterstützt, und Camus wird eine Reihe von Vorträgen an verschiedenen amerikanischen Universitäten halten. Aber diesen Spuren will ich jetzt gar nicht aus der Ferne nachgehen, das hebe ich mir lieber für einen eigenen Besuch dort auf, den es hoffentlich einmal geben wird. Außerdem schweife ich ab.

Anzukündigen ist nämlich ein Camus-Festival mit wirklich großartigem Programm, das nicht irgendwer sondern der Camus-Estate selbst organisiert hat (in Zusammenarbeit mit den Kuratoren Stephen Petrus und Andrew W. Mellon, Foundation Fellow bei der New-York Historical Society). Camus, a stranger in the city heißt es und findet vom 26. März bis 19. April in New York statt. Beim Blick ins Programm möchte man sich sogleich rüberbeamen, Weiterlesen

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Die März-Vorschau: Camus‘ Glück und Hoffnung in Aachen – und in Chemnitz wütet Caligula im Altenheim

plakat 0304Jetzt hat der Februar schon einen Tag mehr als sonst, aber er ist trotzdem ratzfatz um. Für die März-Ankündigung will ich diesmal den Vorträgen den Vortritt vor den Theaterprogrammen lassen, denn die Deutsche Albert Camus Gesellschaft in Aachen hat in diesem Monat gleich zwei prominente Camus-Kenner zu Gast. Den Auftakt macht am 4. März der Doyen der deutschen Camus-Forschung, Prof. Dr. Dr. Heinz Robert Schlette, der Blog-Lesern hier ja schon häufiger begegnet ist. Sebastian Ybbs, Vorsitzender der Gesellschaft, wird mit ihm unter dem Titel „Camus‘ Hoffnung“ ein Gespräch über dessen Denken führen (Beginn: 19 Uhr). Mehr über Heinz Robert Schlette und eine Liste seiner Camus-Veröffentlichungen findet man im Blog.

Des Weiteren freue ich mich, für den 15. März Prof. Rudolf Lüthe ankündigen zu können, mit dem ich 2013 das Podium bei der großen Camus-Revue der Phil.Cologne teilen durfte. Gerne erinnere ich mich noch an die Überraschung, als Moderator Jürgen Wiebicke uns mitten in der Live-Sendung aufforderte, spontan die Rollen von Sartre und Camus einzunehmen und einen kleinen Disput auszufechten. Nach dem ersten Schreck war es ein ziemlicher Spaß. Klar, dass ich auf keinen Fall Sartre sein wollte. Am 15. März spricht
Rudolf Lüthe zum Thema „Sinnloses Glück – Zum Lebenskonzept des Moralisten Albert Camus“ (Beginn: 20 Uhr). Beide Vorträge finden im Institut Logoi, Jakobstraße 25a, in Aachen statt.

Was die Theater angeht, so ist im März wieder eine Premiere anzukündigen: Das Theater in Chemnitz bringt am 5. März Caligula heraus. „Der polnische Regisseur Robert Czechowski, Intendant des von der Theaterkritik hochgelobten Lubuski Teatr w Zielonej Górze, inszeniert mit Camus‘ Caligula einen Text, der wegen seiner Sinnlichkeit, seiner Irrwitzigkeit sowie der Reflexion absurder Philosophie inspiriert und provoziert“, schreibt das Theater dazu. Möglich, dass auch die Inszenierung provoziert, denn Regisseur Robert Czechowski geht recht frei mit der Vorlage um und verlegt den Handlungsort in ein luxuriöses Altenheim. „Dessen Insassen, 150-jährige Greise, werden mit der neuesten medizinischen Technologie am Leben erhalten“, erklärt der Pressetext. „Obwohl die Alten nutzlos und parasitär geworden sind, umgibt sie immer noch der Hauch der Macht, die sie einst besessen haben und die sie gegen ihre Untergebenen immer noch wie Parasiten ausnutzen. Die Alten werden von Pflegern betreut, die ihnen alle – auch die ausgefallensten oder perversesten – Wünsche erfüllen. Caligula revoltiert gegen diese offensichtlich überlebte und ekelerregende Welt, gegen das kleinbürgerliche Gehabe und das Festhalten an den Pfründen. Ist das Leben und Lebendigkeit? Sieht so menschliche Freiheit aus? Caligula will das Außergewöhnliche, er will seine Freiheit nutzen und ein Leben verstehen, das so viel Unglück für die meisten bereithält. Aber dem allmächtigen Kaiser ist nicht zu trauen. Seine Provokation schlägt in Willkür um. Allein, er regt zum Nachdenken an, wie es sein Gegenspieler, der kluge Cherea, formuliert. Und zur Revolte.“

Premiere: 5. März, 20 Uhr, im Schauspielhaus Chemnitz (große Bühne). Weitere Vorstellungen: 11., 19., 24. März, 6. April.

Des Weiteren steht schon Bekanntes wieder auf den Spielplänen im März:
Nikolaus Habjans Inszenierung von Das Missverständnis mit Figuren am Volkstheater Wien wieder am 19. März
Der Fremde beim Euro Theater Central in Bonn am 7. und 8. März, und
Die Gerechten beim Euro Theater Central in Bonn am 14. und 15. März.

Wie immer ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit!

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Code-Name „Großfürst“ – Stadttheater Fürth spielt „Die Gerechten“

In Fürth hausen die jungen Revoluzzer im Keller: Sascha Spähn, Dominique Marterstock, Tim Steinheimer (v.l.). ©Foto: Hans Joachim Winckler

In Fürth hausen die jungen Revoluzzer im Keller: Sascha Spähn, Dominique Marterstock, Tim Steinheimer (v.l.). ©Foto: Hans Joachim Winckler

Gerade dachte ich noch, dass die Liste der Stück-Ankündigungen nun langsam doch etwas dünner wird, da werde ich eines Besseren belehrt: Das Stadttheater Fürth spielt nämlich in dieser Saison gleich zwei Camus-Stücke, und da ich bislang versäumte, darauf hinzuweisen, will ich dies rasch nachholen. Nach der Premiere von Caligula im Januar steht nun also Die Gerechten auf dem Programm. Dabei unternimmt das „Junge Ensemble“ des Fürther Theaters unter der Regie von Johannes Beissel den Versuch, das Stück in die Gegenwart zu übertragen: „Der Kampf gegen die politischen Verhältnisse in Russland zu Beginn des letzten Jahrhunderts wird zum Kampf junger Menschen gegen Protagonisten eines globalen Turbo-Kapitalismus und einer menschenverachtenden Migrations-und Entwicklungshilfepolitik“, heißt es in der Ankündigung, und weiter: „Fünf junge Menschen wollen die Welt verändern, radikal und nachhaltig. Sie wollen nichts Geringeres als die kapitalistische Weltordnung zerstören. Dafür sind sie bereit, Menschen zu töten. Sie planen einen Bombenanschlag auf den «Großfürsten». Wer verbirgt sich hinter diesem Code-Namen? Manche der «Gerechten» haben Skrupel und kämpfen heftig mit ihrem Gewissen. Einer von ihnen wurde in Haft gefoltert, jetzt ist er voller Hass und bereit bis zum Äußersten zu gehen. «Die Gerechten» haben sich in einem Keller verschanzt, in dem keiner freiwillig leben würde. Was geschieht zwischen ihnen? Welche Chance haben Brüderlichkeit und Liebe? Wie entwickeln sich Konflikte und unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit Terrorismus gehen darf, um eine gerechtere Welt zu schaffen – in einer Enge, der man nicht ohne weiteres entfliehen kann und einem Klima der ständigen Angst vor dem Entdeckt werden? Wann ist das Töten ein legitimes Mittel im politischen Kampf, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck?“ Fragen, die hier offenbar besonders ein junges Publikum im Blick haben. Angekündigt ist die Inszenierung „für Schüler ab 15 Jahren und Erwachsene“.

Info:
Junges Ensemble, Stadttheater Fürth. Inszenierung: Johannes Beissel, Kostüme: Anke Kreuzer-Scharnagl. Mit: Tim Steinheimer, Dominique Marterstock, Sascha Spähn, Nikolaj Klinger, Lilia Akchurina, Franziska Schilmeier, Franziska Ulrich, Madeline Hartig.
Vorstellungen: 24., 25., 26. und 27. Februar, 20 Uhr bis ca. 21:40 Uhr. Ort: Goldener Schwan, Marktplatz 2, in Fürth. Karten: € 9,-/ € 4,50 (ermäßigt).

Das Junge Ensemble am Stadttheater Fürth ist ein Bürgerbühnen-Ensemble junger Erwachsener, die dem Theater Jugend Club entwachsen sind. Diese Bürgerbühne junger Erwachsener bringt seit September 2011 mit großer Ernsthaftigkeit und einem hohen künstlerischen Anspruch an die eigene Arbeit unter professionellen Arbeitsbedingungen und professioneller Regie jährlich eine neue Produktion auf eine der Bühnen des Stadttheaters in Fürth.

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Roman und Revolte – Das Zufallszitat zum Sonntag (2)

Während es mich in den letzten Wochen öfters bedrückt hat, dass ich so wenig Zeit für den Blog finde, war heute morgen alles anders: Ich freute mich sogleich auf mein neu erfundenes Camus-Spiel das „Zufallszitat zum Sonntag“. Und siehe da, es fördert einmal ein ganz anderes Thema zu Tage, eines, das ich bei Camus sonst selten im Blick habe. Es geht um die Literatur, um den Roman – aber, wie könnte es anders sein – dabei genauso um uns. Einen Schwung von Lektüreempfehlungen liefert es auch gleich mit. Und noch in einer kleinen Anmerkung findet man einen Satz wie „Die Verzweiflung beim Namen nennen, heißt sie überwinden.“ Nicht das einzige, worüber es sich lohnt nachzudenken.

Das Camus-Zufallszitat zum Sonntag (2)

„Was ist der Roman, wenn nicht die Welt, wo die Handlung ihre Form findet, wo die Schlußworte ausgesprochen werden, die Wesen einander ausgeliefert sind, wo jegliches Leben das Gesicht des Schicksals annimmt.¹ Die Welt des Romans ist nur die Korrektur dieser Welt hier, gemäß dem tiefen Wunsch des Menschen. Denn es handelt sich tatsächlich um die gleiche Welt. Das Leiden ist das gleiche, ebenso die Lüge und die Liebe. Die Helden sprechen unsere Sprache, sie haben unsere Schwächen und Stärken. Ihre Welt ist weder schöner noch erbauender als die unsere. Sie jedoch gehen wenigstens bis ans Ende ihres Schicksals, und es gibt keine erschütternderen Helden als die, welche bis ans äußerste Ende ihrer Leidenschaft vorstoßen: Kirilow und Stawrogin, Madame Graslin,² Julien Sorel³ oder der Prinz von Kleve (4). Wir verlieren da ihr Maß, denn sie beenden, was wir nie zu Ende führen.“ 

(1) Selbst wenn der Roman nur die Sehnsucht, die Verzweiflung, das Unvollendete ausspricht, erschafft er noch die  Form und das Heil. Die Verzweiflung beim Namen nennen, heißt sie überwinden. Literatur der Verzweiflung ist ein Widerspruch in sich.
(2) Hauptgestalt in Balzacs Der Landpfarrer (Anm. d. Übers.)
(3) Hauptgestalt in Stendhals Rot und Schwarz (Anm. d. Übers.)
(4) Protagonist in dem Roman La Princesse de Clèves von Marie-Madeleine de La Fayette, 1678 in Paris zunächst anonym veröffentlicht (Anm. der Blog-Autorin).
Albert Camus, Der Mensch in der Revolte. Aus dem Französischen übertragen von Justus Streller. Neubearbeitet von Georges Schlocker unter Mitarbeit von François Bondy. Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1969, S. 213 (aus dem Kapitel Roman und Revolte).

„Zufallszitat zum Sonntag“ – Die Spielregel: blind ins Regal greifen, Buch aufschlagen, mit dem Finger über der Seite kreisen, landen, fertig.

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Wie ich einmal ein neues Camus-Spiel erfunden habe: Das Zufallszitat zum Sonntag (1)

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Wie ich einmal ein neues Camus-Spiel erfunden habe: Das Zufallszitat zum Sonntag (1)

So geht das wirklich nicht weiter. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich sind diese Camus-Pausen, die sich in den immer größer werdenden Blog-Lücken niederschlagen, eindeutig zu lang. Die Besprechung von Der Fremde beim Camus-Festival in Bonn im Januar bin ich immer noch schuldig geblieben, und ich merke, dass ich meine Versprechen nicht mehr so ohne weiteres halten kann. So geht das nicht. Aber es sieht nun mal so aus, dass ein volles Arbeitsleben, das nicht täglich  um fünf zu Ende ist, die Neigung hat, weite Teile des Lebens zu verschlucken und sehr wenig Spielraum für alles weitere zu lassen. Das ist blöd, und zwar ganz unabhängig davon, wie interessant, anspruchsvoll oder bedeutend die Themen dieses Arbeitslebens auch sein mögen. … – … Ich hoffe, der ein oder die andere von Ihnen hat jetzt gerade wenigstens mal kurz gezuckt und sowas in der Art von Huch, sie wird doch wohl nicht den Blog einstellen..? gedacht… – … . Nein, wird sie nicht. Zwar wäre das eine Möglichkeit, dem ständigen Es-gibt-nicht-genug-Zeit-für-alles-Dilemma zu entgehen, aber mein Leben besser machen würde es nicht. Im Gegenteil. Camus würde mir ebenso fehlen wie meine guten Freunde, für die ich ebenfalls zu wenig Zeit habe.

Deshalb habe ich ein neues Spiel erfunden, nämlich das Camus-Zufallszitat-am-Sonntag. Kein mit Bedacht gewähltes, mit aktueller Bedeutung aufgeladenes Zitat als Kommentar zur Lage der Nation, der Weltläufe oder der eigenen Befindlichkeit, sondern ein völlig zufälliges. Die Spielregel lautet: blind ins Regal greifen, Buch aufschlagen, mit dem Finger über der Seite kreisen, landen, fertig. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, was dabei herauskommen wird. Vielleicht ein kleiner Gedankenanstoß, vielleicht ein Wissenwollen und Weiterlesen, vielleicht auch nur ein Kopfschütteln. Probieren wir es aus. Das Schöne ist: Ich darf das ja, da ich vor Start des Blogs 2013 die Genehmigung zur Wiedergabe so genannte „freistehender Zitate“ eingeholt habe (kleiner Hinweis an mitlesende Urheberrechtsexperten). Genutzt habe ich das bislang nur selten. Also los. Fangen wir doch gleich mal an. Ich bin gespannt. Ha, das macht Spaß. Bis gleich.

 

 Das Camus-Zufallszitat am Sonntag (1)

Der Pfarrer: In die Kirche, in die Kirche! Die Strafe naht. Das alte Übel kommt über die Stadt. Die tödliche Geißel ist da, mit der der Himmel seit jeher die lasterhaften Städte für ihre Todsünden straft. Eure Schreie sollen in euren lügnerischen Mündern ersticken, und ein glühendes Siegel wird euch aufs Herz gedrückt. Betet zu Gott dem Gerechten, dass er vergebe und vergesse! Geht in die Kirche! Geht in die Kirche! (1)

 

Na, das ist doch schon mal ein hübscher Zufallsfund für einen Sonntag. Da kann man sich den Kirchgang ja gleich sparen. Übrigens: L’État de Siège wurde 1948 im Théâtre Marigny in Paris uraufgeführt. Regie führte Jean-Louis Barrault, das Bühnenbild stammte von Balthus und die Bühnenmusik von Arthur Honegger. Das Stück fiel bei Premierenpublikum und Kritik komplett durch.

(1) Albert Camus, Der Belagerungszustand, in: Sämtliche Dramen. Erweiterte Neuausgabe. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel und Uli Aumüller. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 2013, S. 177.

 

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Camus im Februar: Basel verfremdet den Fremden, Wien heißt Flüchtlinge willkommen

"Der Fremde" in einer Bühnenfassung von xxxx am Theater Basel. ©Foto:

„Der Fremde“ in einer Bühnenfassung von Patrick Gusset am Theater Basel. ©Foto: Simon Hallström

Es ist doch jedes Jahr das Gleiche: Kaum angefangen nimmt das Jahr auch schon wieder Fahrt auf, und der erste Monat ist schon rum. Warum überrascht es mich nur jedesmal aufs Neue, dass das so schnell geht? Nachdem das Jahr mit dem Camus-Festival in Bonn munter losging, scheint es jetzt etwas ruhiger zu werden in Sachen Camus. Jedenfalls steht, so viel ich das überblicke, nichts Neues auf den Spielplänen. Aber ich überblicke eben auch nicht alles, denn sonst wäre mir die Inszenierung von Der Fremde am Theater Basel, die dort am 14. Januar Premiere feierte, bei der letzten Monatsvorschau schließlich nicht durchgegangen. Jetzt steht sie leider nur noch einmal, am 3. Februar, auf dem Spielplan. Schaut man den kurzen Trailer auf der Theater-Webseite an, so scheint sich Regisseur Patrick Gusset ziemlich weit von Camus‘ Romanvorlage zu entfernen. Im Text dazu heißt es:

„In der Inszenierung von Patrick Gusset, die er mit einer Gruppe Jugendlicher erarbeiten wird, stehen die Fragen nach Entsagung und Entzug im Mittelpunkt. Mit welchen Emotionen treten junge Menschen ihrer Umwelt entgegen, was deklarieren sie als relevant? Was sind die Grenzen von Moral in Bezug auf einen angeblichen Sinn des – beziehungsweise eines – Lebens? Weiter gefragt: Was ist die Moral von Grenzen? Was unterscheidet das Vertraute vom Fremden? Wann ist man Vertrauter, wann Fremder und (wie) kann das alles zusammengehen? Das Projekt des Jungen Hauses sucht mit Camus’ »Fremden« von damals nach dem »Fremden« von heute.“

Ist es gelungen? Davon müsste man sich natürlich selbst ein Bild machen. Die Rezension in der Baseler Zeitung lässt da allerdings im Vorhinein ein paar Zweifel aufkommen.

„Platt aber kommen vor allem einzelne Passagen der sprachlichen Aktualisierung daher. Dass E-Mail und Ebay aufflackern, kann als zeitgeistige Facette durchgehen. Doch das Scharfsein, das bei Camus noch erotische Dimensionen hatte, schrumpfen Gusett & Co zusammen auf ein inflationär durch den Text geisterndes „Bumsen“ und „Vögeln“. Meursaults im Original gar nicht ausformulierter Brief im Auftrag seines Nachbarn Raymond, der letztlich die fatale Handlung in Gang setzt, gerät gar zum obszönen Vulgärtext. Im meist jugendlichen Premierenpublikum sorgt das zwar für rechte Belustigung, es bleibt aber doch ein tumber, eindimensionaler Blick auf Liebe und Sexualität“,

schreibt Michael Baas unter der Überschrift Der Reiz des Unverbindlichen in der Ausgabe vom 16. Januar (mehr hier). Und obwohl es sicherlich nicht nur eine einzige „richtige“ Interpretation von Der Fremde und dessen Protagonisten Meursault gibt – die Aussage im Ankündigungstext des Theaters über Meursault, er gehe am Ende in den Tod „in der tiefen Überzeugung, dass es keine Hoffnung und keinen Trost für ihn geben wird“, lässt mich arg daran zweifeln, wieviel Camus in dieser Interpretation wohl noch drinstecken mag. Zwar ist die Person Meursault ganz ohne Zweifel vielschichtig und schwer zu fassen und nicht bloß ein Prototyp des absurden Helden, aber gerade im Hinblick auf sein Ende ist wohl kein Charakter im Oeuvre von Camus näher am jenem im Sisyphos beschriebenen Charakter des absurden Menschen, der keines Trostes bedarf.

Des Weiteren im Februar: Eine sehr Text treue Bühnenfassung von Der Fremde kann man sich weiterhin beim Euro Theater Central in Bonn anschauen (25. Februar) und Die Gerechten werden noch zwei Mal bei der Studio Bühne Essen gespielt (13. und 14. Februar). Weiterhin mit großem Erfolg läuft Das Missverständnis mit Figuren von Nikolaus Habjan am Volkstheater Wien, das inzwischen offenbar auch internationales Publikum anzieht: Seit Neuestem wird nämlich mit englischer Übertitelung gespielt, als nächstes wieder am 14. und 23. Februar sowie 19. März. Weitere Termine sind in Planung, sodass ich die Hoffnung nicht aufgebe, es vielleicht doch noch dorthin zu schaffen. Besonders schön übrigens: Die erste Vorstellung mit englischen Übertiteln findet am 14. Februar um 18 Uhr bei einem „Fest für Angekommene“ statt, das unter dem Motto „Volkstheater Welcomes You“ 150 Flüchtlinge zu einer Vorstellung von Das Missverständnis und buntem Begleitprogramm einlädt. Dafür heute ein dickes Dankeschön von 365 Tage Camus!

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