Brigitte Sändig spricht über die Camus-Rezeption „im Osten“


Eine der besten deutschen Camus-Kennerinnen kommt auf Einladung der Albert Camus-Gesellschaft am 26. März nach Aachen: Brigitte Sändig, emeritierte Professorin von der Universität Potsdam. Bereits 1983 veröffentlichte sie bei Reclam-Leipzig die fundierte Einführung in Leben und Werk von Albert Camus, und ihr Beitrag zu Albert Camus in der Reihe der Rororo-Monographien (seit 1995 mehrfach wieder aufgelegt) gehört zum Standardprogramm – um nur zwei ihrer zahlreichen Veröffentlichungen zu Camus zu nennen. Mehrfach hat Brigitte Sändig sich mit der Rezeption des Werkes von Camus „im Osten“ beschäftigt – so auch der Titel des 2002 von ihr herausgegebenen Sammelbandes und des für Aachen angekündigten Vortrags.

In der Ankündigung sagt Brigitte Sändig dazu:

Camus war in den sogenannten »sozialistischen Ländern« nicht nur von intellektuellem und literarischen Interesse, sein Werk konnte Handlungsvorgänge und Lebensabläufe bestimmen. Dies ist mir aus eigener Erfahrung bekannt und führte mich, als dies möglich wurde, zur Zusammenstellung und Herausgabe des Bandes »Camus im Osten«, einer Sammlung von Beiträgen von Autoren aus allen ehemals sozialistischen Ländern. In der DDR galt Camus in offizieller Lesart als Antikommunist, damit als Feind, der zu negieren und zu diffamieren war. Dennoch ermöglichte die Initiative engagierter Intellektueller das allmähliche Erscheinen seines literarischen Werkes; die Tagebücher und Essays hingegen, allen voran »L’Homme révolté«, konnten auf Grund ihrer politisch brisanten Aussagen nie veröffentlicht werden. Doch die gemeinsame Sprache eines geteilten Landes machte die Kenntnis auch dieser Schriften möglich; so bezogen sich nonkonforme Schriftsteller der DDR auf Camus und wurden zentrale Begriffe seines politischen Denkens wie Solidarität und Wahrheit für oppositionelle Gruppen bedeutsam.“

Termin: Sonntag, 26.  März 2017, 12 Uhr, im LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen. Der Eintritt ist frei.

Webseite von Brigitte Sändig mit ausgewählten Publikationen: www.brigitte-saendig.de

 

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Das Zitat zur Nacht oder Ein Lob der Sinnlichkeit

Kann es sein, dass Camus hier im Blog in letzter Zeit viel zu selten selbst zu Wort gekommen ist? Ja, das kann sein. Eine Weile schien es mir zu wenig, zu simpel einfach ins Regal zu greifen und ein „Zitat des Tages“ herauszufischen. Außerdem: Wenn ich es denn tat, habe ich mich meistens doch wieder festgelesen, und dafür fehlte zu oft die Zeit. Aber jetzt vermisse ich es, und außerdem habe ich gerade etwas mehr Zeit. Also starte ich heute eine neue Auflage der Zitat-Serie. Muss ja nicht immer das Wort zum Sonntag sein. Das Zitat stammt aus der Schlusspassage der Erzählung Die Ehebrecherin aus der Novellensammlung Das Exil und das Reich, und natürlich habe ich mich wieder festgelesen an dieser Geschichte, in der die Protagonistin für einen Moment aus ihrer etwas eingetrockneten Ehe entflieht und ihre Lust, mithin das Leben wiederfindet. So ist es heute ein „Zitat zur Nacht“ geworden, und das passt in diesem Fall ja auch viel besser.

„Die Sterne vor ihren Augen fielen einer nach dem anderen herab und erloschen dann inmitten der Steine der Wüste, und jedesmal erschloss Janine sich ein bisschen weiter der Nacht. Sie atmete frei, sie vergaß die Kälte, die menschliche Schwere, das wahngepeitschte oder erstarrte Dasein, die lange Bangigkeit des Lebens und des Sterbens. Nachdem sie so viele Jahre lang, vor der Angst fliehend, blindlings und ziellos dahingestürmt war, hielt sie nun endlich inne. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, zu ihren Wurzeln zurückzufinden, der Saft stieg wieder in ihren jetzt nicht mehr zitternden Körper empor. Den Leib fest an die Brüstung pressend, wartete sie, dass ihr noch immer aufgewühltes Herz ebenfalls Ruhe finde und es still werde in ihr. Die letzten Sterne ließen ihre Trauben tiefer unten über den Horizont der Wüste fallen und verhielten unbeweglich. Da begann mit unerträglicher Milde das Wasser der Nacht Janine zu erfüllen, es begrub die Kälte unter sich, von dem geheimen Mittelpunkt ihres Wesens stieg es nach und nach empor und drang in ununterbrochener Flut bis in ihren von Stöhnen übergehenden Mund. Im nächsten Augenblick breitete der ganze Himmel sich über ihr, die rücklings auf der kalten Erde lag.“ ¹

Vielleicht sogar genau heute vor 60 Jahren, wahrscheinlicher schon am 4. März, sicherlich aber irgendwann im März 1957², erschien erstmals bei Gallimard Camus‘ Novellenband L’Exil et le Royaume (Das Exil und das Reich) – das letzte zu seinen Lebzeiten vollendete und veröffentlichte Buch. Es enthält die Erzählungen Die Ehebrecherin, Der Abtrünnige oder Ein verwirrter Geist, Die Stummen, Der Gast, Jonas oder Der Künstler bei der Arbeit und Der treibende Stein. Ursprünglich sollte auch Der Fall dazu gehören, der sich dann aber zu einer deutlich längeren Erzählung entwickelte und bereits 1956 veröffentlicht wurde. Entstanden 1952 bis 1956, mithin nach Abschluss des Werkzyklus über die Revolte, sind die Erzählungen nicht Teil von Camus‘ „Arbeitsplan“, wonach sich nun der „Zyklus der Liebe“ anschließen sollte. Doch findet sich die Spur der Liebe auch an manchen Stellen in Das Exil und das Reich, und hier in La Femme adultère ist es eine besonders schöne Variation: Eine Frau „betrügt“ ihren Mann in einem sinnlichen Vereinigungserlebnis mit der Welt.

Die Bilder dazu darf man sich im Kopf natürlich selbst machen. Bei Camus ist Janine übrigens eine nach 25 Jahren kinderlos gebliebener Ehe nicht mehr ganz frische, ein wenig füllige Frau, die rasch unter Atemnot leidet.

(1) Albert Camus, Die Ehebrecherin aus Das Exil und das Reich, in: Albert Camus. Gesammelte Erzählungen. Deutsch von Guido G. Meister, Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1966, S. 125.
(2) In der Pleiade-Gesamtausgabe ist an mehreren Stellen nur von „März 1957“ die Rede, an einer Stelle findet sich die Angabe 4. März für die Fertigstellung des Drucks („achevé d’imprimer du 4 mars 1957“, Oeuvre complètes IV, 1957-1959, Gallimard, Paris 2008, Bibliothèque de la Pléiade, p. 1361). Die Angabe 15. März macht der Betreiber der Facebook-Seite „Albert Camus“ ohne weiteren Quellenhinweis.

 

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Existenzialistischer Horrortrip, heiterer Revolutionsabgesang und Terroristen mit Seele: Premieren-Rückblick und März-Vorschau

„Terroristen mit Seele“: Szene aus „Die Gerechten“ am Staatstheater Oldenburg (v.l.): Agnes Kammerer (Dora Dulebow), Nils Andre Brünnig (Alexej Woinow), Yassin Trabelsi (Boris Annenkow), Magdalena Höfner (Stepan Fjodorow), Johannes Lange (Iwan Kaljajew). ©Foto: Stephan Walzl

Nach gleich drei Premieren im Februar lässt sich der März in Sachen Camus etwas geruhsamer an. Zeit also, erst noch einmal zurückzublicken und zu fragen: Wie war es denn nun? Leider kann ich das nur aus zweiter Hand berichten, hier aber wenigstens eine kleine Presseschau.

Wien: Existenzialistischer Horrortrip mit enervierenden Koloratursopranduellen?

Am spannendsten erschien mir im Vorhinein die Uraufführung der Le Malentendu-Kammeroper von Fabian Panisello bei der Neuen Oper Wien, denn dass Camus in Musik umgesetzt wird, kommt ja nicht so häufig vor. Die Kritik im Standard lässt allerdings leichte Zweifel aufkommen. „Und tatsächlich hat die zersplitterte, zerfaserte Musik von Panisello oft spukhafte Züge: Die Partitur scheint von einer insektenhaften Betriebsamkeit erfüllt und gleicht einem beweglichen Klangmosaik der 100 Partikularinteressen, des solipsistischen Gewusels, der kleingehackten, faschierten Motive. Stimmen wispern und raunen. In Summe jedoch eine Musik, die nur begrenzt sinnliche Kraft entfaltet“, schreibt der Kritiker Stefan Ender. Martha (Anna Davidson) liefere sich „enervierende Koloratursopranduelle“ mit Maria (Gan-Ya Bengur Akselrod), heißt es weiter, und: „Die Mutter (Edna Prochnik) muss sich das zum Glück nicht mehr anhören, die ist da schon tot.“ Lob gibt es immerhin für die „glänzenden Sänger“, für Regie, „geschmackvolle Ausstattung“, „stimmungsstarke Videoprojektionen“ und Beleuchtung. „Beifall für alle nach existenzialistischem Horrortrip.“ Das ist hübsch formuliert, aber wie immer bei besonders hübsch formulierten schlechten Kritiken ist Vorsicht geboten und zu fragen, wie viel Anteil des Kritikers Freude an hübschen Formulierungen dabei hat, und wie groß sich der sachliche Anteil demgegenüber ausnimmt. Am besten man macht sich selbst ein Bild, was in diesem Fall aber schon deshalb nicht möglich ist, weil das Stück in dieser Saison nicht mehr auf dem Spielplan steht.

Hannover: Heiterer Revolutions-Abgesang als Sketch-Parade?

Gleich zwei Häuser brachten im Februar Die Gerechten neu heraus. „Am Staatstheater Hannover inszeniert Alexander Eisenach Camus‘ Drama als heiteren Abgesang auf die revolutionäre Linke“, titelt dazu nachtkritik.de in der Premierenbesprechung. Den Beschreibungen von Christian Rakow nach scheint es bei der Inszenierung recht frei und ziemlich launig zuzugehen. «Die Vollblutkomikerin Lisa Natalie Arnold legt ihre Bombenbastlerin Dora mit launigen Punchlines wie eine Jeanne d’Arc für die Sesamstraße an. Wenn sie mit Henning Hartmann als Kaljajew die Ethik des Attentats erörtert, klingt’s, als rückten zwei Ganoven zum Tresorknacken vor. Wolf List verkriecht sich als Anführer der Gruppe ganz in sich selbst, während Beatrice Frey mit einem furiosen Solo akribisch einen überdimensionalen Stadtplan ausbreitet. Selbst der Chefagitator Stepan (Jonas Steglich) redet lieber von „Bömbchen“ als von Bomben. Der Abend sucht die Sketch-Parade, Knallfrösche statt Sprengköpfe.» Ist denn das immerhin gelungen? Dir Kritik, die durchaus starke Momente hervorhebt, bleibt da ähnlich in der Schwebe wie vielleicht die Inszenierung: «In Hannover sucht er mit Camus die Balance zwischen „Schwank oder Drama, Saft oder Blut, Klamauk oder Leben“, wie es im Finale heißt. Aber er balanciert eher über allen Gegensätzen als mittendurch.»

Weitere Vorstellungen: 5., 10., 26. März, 8., 11., 21. April, jeweils 20 Uhr, Einführung 19.15 Uhr. Infos: www.staatstheater-hannover.de.

Und hier noch ein kurzer Einblick in die Inszenierung per Video:

Oldenburg: Der Terrorist als Mensch mit Seele?

Am Staatstheater Oldenburg dagegen scheint Oberspielleiter Peter Hailer eine sehr textnahe Inszenierung der Gerechten auf die Bühne gebracht zu haben, die auf jedwede augenfällige Aktualisierungen verzichtet. Wurde das Stück in Oldenburg 1977 noch nach Protesten abgesetzt (einen Tag nach der Premiere war der damalige Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von Terroristen der Roten Armee Fraktion entführt und ermordet worden), so geht es diesmal skandalfrei zu. Camus‘ Text komme in der „zügigen Inszenierung“ von Peter Hailer nicht als dialoglastiges Ideendrama daher, schreibt Regina Jerichow in der Nord-West-Zeitung, und weiter: „Er betont die überzeitlichen Themen von Gerechtigkeit und Moral, von Idealismus und Gewalt. Es geht um Hass, aber auch um Liebe und Zweifel. Der Regisseur macht aus den Attentätern beileibe keine Sympathieträger, aber er zeigt sie als Menschen mit Seele und individuellem Schicksal.

Weitere Vorstellungen: 4. und 9. März, 4., 9., 25. April, 18. Mai und 23. Juni, jeweils 20 Uhr. Infos: www.staatstheater.de

Weiterhin auf den Bühnen:

Caligula, Theater Basel: 3. März, 18. April (Dernière)
Das Missverständnis, Figurentheater Ravensburg e.V.: 25. März.
Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung, Bühnenadaption des Romans von Kamel Daoud, Münchner Kammerspiele: 26. März.
Der Fremde, Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin: 4. und 5. März (13. und 14. April).
Der Fremde, Euro Theater Central, Bonn: 2. und 31. März.
Die Gerechten, Euro Theater Central, Bonn: 3. und 4. März.
Die Gerechten, Theaterhaus Jena: 22. und 23. März.

Und im April geht’s weiter: 

Zuletzt schon mal einen Vorblick auf den April: Anfang des Monats nimmt das fringe ensemble im Bonner theater im ballsaal seine länger nicht mehr gespielte Bühnenfassung von Camus‘ Die Pest wieder auf. Ich erinnere mich noch gut an den Besuch der Vorstellung beim Festival Vive Camus! im Januar 2016 in Bonn – die intensiven Eindrücke von einst lassen sich leicht wieder abrufen. Nachzulesen hier im Blog: Oran liegt in Bonn-Endenich. Vorstellungen sind am 4., 6., 7. und 8. April, 20 Uhr. Karten kosten 14 Euro (ermäßigt 9 Euro) und sind zu bestellen unter Telefon 0229/ 797901.

 

 

 

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Wie ich einmal Camus in Köln-Sülz traf, und warum ich dabei Frankreich-Reisefieber bekam

Entfernte Ähnlichkeit: Camus-Porträt in der Brasserie Marie in Köln. Foto: Anne-Kathrin Reif

Fast hätte ich ihn übersehen. Mindestens eine Stunde hatte ich mich schon in der Brasserie Marie in Köln aufgehalten, als plötzlich im Augenwinkel eine Wahrnehmung hängen blieb und mich aufforderte: „He, guck noch mal hin!“ Gehorsam folgte ich ihr und inspizierte ausgiebig das in Brauntönen gehaltene Porträt, das dort auf schlammgrün gestrichener Wand neben dem Bild einer Phantasiestadtansicht hängt. Doch, ja… eine entfernte Ähnlichkeit ließ sich schon ausmachen. Aber eben auch nur entfernt. Erst die Nachfrage beim Patron des kleinen französischen Bistros an der Zülpicher Straße brachte die Gewissheit: Ja, das ist Camus. Oder soll er zumindest sein. Und: Nein, eine besondere Beziehung besteht nicht. Die vielen Bilder im Lokal sind ein Sammelsurium von Freundes-Geschenken, Erb- und Fundstücken, und Camus ist halt eines davon.

Diese Geschichte wiederum geht ein in mein Sammelsurium unverhoffter Camus-Begegnungen und könnte damit auch schon zu Ende sein, denn darüber, dass dieses Porträt ihm weder besonders schmeichelt noch von nennenswerter künstlerischer Qualität ist, brauchen wir ja nicht eigens reden. Sie ist aber noch nicht zu Ende, denn lustig dabei ist, dass es ausgerechnet Camus selbst war, der mich überhaupt in dieses Lokal gebracht hat. Und das kam so: Weiterlesen

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Auf den Spuren des „echten“ Dr. Rieux in Le Chambon

War er das Vorbild für Dr. Rieux aus Die Pest? Gedenktafel für Dr. Roger Le Forestier in Le Chambon-sur-Lignon. ©Foto: Klaus Stoevesandt

In dem ziemlich großen und immer noch weiter anwachsenden Stapel von Büchern zu Camus-Themen, die darauf warten, einmal hier im Blog vorgestellt zu werden, drohte ein schmales, 2016 im Bernstein-Verlag erschienenes Bändchen fast unterzugehen: Der Doktor Rieux des Albert Camus – Eine Nachsuche möglicher Vorbilder von Klaus Stoevesandt. Da kommt der Anlass, dass der Verfasser in Kürze bei der Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen zu Gast sein wird, gerade recht, um es nun endlich hier zu würdigen. Denn das hat es durchaus verdient.

Aufmerksamen Blog-Leserinnen und -Lesern dürfte Klaus Stoevesandt nicht ganz unbekannt sein: Im Mai 2014 befragte ich ihn zu seinem Vortrag Albert Schweitzer und Albert Camus – Auf der Suche nach Maßen für die Menschlichkeit, den er bei der Jahrestagung der Internationalen Albert Schweitzer-Gesellschaft in Königsfeld hielt. Stoevesandt spürt darin der geistes-verwandtschaftlichen Nähe zwischen den beiden Alberts nach, die sich in einer kompromisslosen humanistischen Grundhaltung ausdrückt – wohl wissend, dass es eine direkte Beziehung oder einen konkreten Austausch zwischen beiden wohl nicht gegeben hat.

Ein verbindendes Glied zwischen ihnen findet sich gleichwohl, nämlich in Gestalt des Arztes Roger Le Forestier. Weiterlesen

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„Die alternativen Fakten des Pater Paneloux“

„Die alternativen Fakten des Pater Paneloux“ ist der nächste  offene Gesprächskreis der Albert-Camus-Gesellschaft am kommenden Dienstag in Aachen überschrieben. Wer bei diesem Titel nicht nur an Camus‘ Die Pest denkt sondern auch an die eigenwillige Realitätsauslegung des derzeitigen amerikanischen Präsidentendarstellers, liegt richtig: „Der Titel verbindet nicht zufällig die Literatur Camus‘ mit aktuellen politischen Fragestellungen“, sagt Sebastian Ybbs, Vorsitzender der Camus-Gesellschaft. Wie immer sind Kenner der Schriften Camus‘ sind ebenso eingeladen wie andere Interessierte.

  • Termin ist am Dienstag, 7. Februar 2017 um 20 Uhr im LOGOI, Jakobstraße 25a, in Aachen. Eine Zusammenstellung von Textausschnitten als Diskussionsgrundlage kann angefragt werden unter sebastian.ybbs@unitedtelecom.be
  • Der offene Camus-Gesprächskreis findet immer am ersten Dienstag des Monats im LOGOI statt. Weitere Termine am 7. März, 4. April, 2. Mai und 6. Juni.

    ­
    Zwei weitere interessante Veranstaltungen der Albert-Camus-Gesellschaft stehen bereits fest:

  • Freitag, 17. Februar, referiert Klaus Stoevesandt über Albert Camus und Albert Schweitzer. 19.30 Uhr, Buchhandlung Backhaus, Jakobstr. 13, Aachen (Eintritt frei). Mehr zu der Veranstaltung auf der Seite der Albert-Camus-Gesellschaft unter Aktuelles. Ein Interview mit Klaus Stoevesandt über seine Forschung hier im Blog: Bedingungslose Humanität: Albert Camus trifft Albert Schweitzer
  • Sonntag, 26. März, kommt die Camus-Expertin Prof. Dr. Brigitte Sändig (emeritierte Prof. Uni Potsdam) mit dem Thema Camus im Osten. Brigitte Sändig, die seinerzeit dafür gekämpft hat, dass Werke von Camus auch in der DDR veröffentlicht werden können, wird aus Berlin/Potsdam anreisen und über die Bedeutung des Literaten und Autoren von Der Mensch in der Revolte im Hinblick auf bestimmte politische Machtverhältnisse berichten. Beginn: 12 Uhr im philosophischen Institut LOGOI, Jakobstraße 25a, Aachen.

 

 

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Es geht weiter: Jede Menge Camus auf den Bühnen im Februar

Bühnenbildcollage zur Oper „Le Malentendu“ von Fabian Panisello, die im Februar in Wien Premiere feiert.
©Foto: Diego Rojas Ortiz

Also, das fällt mir jetzt wirklich schwer, den Beitrag nicht mit so einem vollends abgedroschenen „hach, wie schnell die Zeit schon wieder vergeht“ anzufangen… Das tut sie nämlich einfach nun mal genau so, wie sie das meistens tut, sogar in diesem noch einigermaßen jungen Jahr. Und so ist ruckzuck schon wieder ein Monat um, und nach dem (gefühlt gerade erst verfassten) Januar-Überblick steht schon die Vorschau für Februar an. Denn auch der hält wieder jede Menge Camus bereit, darunter gleich drei Premieren. Fangen wir also gleich mit eben diesen an:

Für die vermutlich spannendste Premiere muss man (mal wieder) nach Wien reisen, denn Camus als Musiktheater gibt’s ja eher selten. Nun also die Uraufführung von Le Malentendu als Oper, verfasst von dem Komponisten Fabian Panisello nach dem Theaterstück Das Missverständnis, bei der Neuen Oper Wien am 21. Februar. Weitere Termine im Semper-Depot am 24., 25., 27. Februar. Die Produktion entstand in Kooperation mit dem Teatro Colon, Buenos Aires (wo sie bereits im Frühjahr 2016 zu sehen war, weshalb es sich in Wien streng genommen auch „nur“ um die europäische Erstaufführung handelt), den Teatros del Canal & Teatro Real, Madrid (Aufführungen am 20., 21. und 23. März 2017) und dem Centre National de Création Musicale (CIRM) in Marseille (Vorstellungen am 21., 24., 25. und 27. Februar). Ein ausführliches Interview mit dem Komponisten Fabian Panisello über die verschiedenen Lesarten der Textvorlage und ihre Bearbeitung für das Libretto, ihre musikalische „Übersetzung“ und eigene Akzentsetzungen gibt es auf der Webseite der Neuen Oper Wien unter dem Titel Thriller und Tragödie.

Kann es eine moralische Rechtfertigung für einen terroristischen Akt geben? Und ist überhaupt irgendein Szenario denkbar, bei dem der als gerecht angesehene Zweck die mörderischen Mittel heiligt? Die Frage steht im Mittelpunkt von Camus‘ Drama Die Gerechten, in dem eine Gruppe von Revolutionären 1905 einen Anschlag auf den russischen Großfürsten plant. Angesichts der brennenden Aktualität dieser Frage in Zeiten scheinbar allgegenwärtigen Terrors verwundert es nicht, dass gleich zwei Häuser das Stück im Februar neu herausbringen. Am Staatsschauspiel Hannover feiert es in der Regie von Alexander Eisenach am 23. Februar Premiere. Eine Preview gibt’s bereits am 21. Februar, eine weitere Vorstellung am 25. Februar. Nur noch Restkarten für die Premiere von Die Gerechten am 25. Februar (Regie: Peter Hailer) vermeldet das Oldenburgisches Staatstheater. Die nächsten Vorstellungen sind am 4. und 9. März, es folgen fünf weitere Termine bis zum 23. Juni.

Darüber hinaus laufen an manch‘ anderen Orten zumindest noch im Februar die Produktionen der aktuellen Spielzeit weiter: Die Bühnenadaption des Romans von Kamel Daoud Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung an den Münchner Kammerspielen (Regie: Amir Reza Koohestani) steht am 3. und 7.  Februar wieder auf dem Spielplan. Das Figurentheater Ravensburg e.V. spielt seine Version von Das Missverständnis wieder am  4. Februar. Am Theater Basel ist letztmalig am 18. Februar Caligula in der Inszenierung von Antonio Latella zu sehen. Die Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin hat ihre Bühnenadaption von Der Fremde (Regie: Philipp Preuss) am 23., 24. und 25. Februar wieder im Programm, und das Euro Theater Bonn die seinige aus dem Jahr 2010 (Regie: Jan Steinbach) wieder am 28. Februar.

Sie haben Gelegenheit, liebe Blog-Leserinnen und Camus-Freunde, eine oder gar mehrere der Aufführungen zu sehen? Dann berichten Sie doch davon als Kommentar unter diesem Beitrag. Ich würde mich freuen!

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Es geht weiter: Jede Menge Camus im Januar 2017

Fotos (v.l.n.r.): Der Fremde in Berlin (©Foto: Thomas Aurin), Das Missverständnis in Wien (©Seyneb Saleh) und Die Gerechten in Jena (©Joachim Dette).

Nur für den Fall, dass Sie’s noch gar nicht gemerkt haben: Die ruhigen Jahresanfangstage habe ich unter anderem genutzt, um die Blog-Rubrik „Aktuelles“ oben auf der Seite auf den neuesten Stand zu bringen. Die Termine des Jahres 2016 finden sich zum Nachlesen jetzt unter dem „Camus“-Reiter, und die Seite für 2017 ist keineswegs ein noch unbeschriebenes Blatt! Nicht alle, aber doch einige Bühnen haben ihre Camus-Stücke nämlich mit über den Jahreswechsel genommen. So spielt das  Theater Basel seinen Caligula in diesem Monat wieder am 14., 22. und 25. Nur einmal erweckt der viel beschäftigte Nikolaus Habjan am 29. Januar seine Figuren in Das Missverständnis am Volkstheater Wien zum Leben, weitere Termine sind jedoch in Planung. Die Bühnenadaption des Romans von Kamel Daoud, Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung, ist noch am 10. und 21. Januar bei den Münchner Kammerspielen zu sehen. Der Fremde an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin lief sogar bereits schon, kommt aber nach dem 7. und 8. Januar im Februar noch mal wieder, ebenso am  Euro Theater Bonn am 17. Januar. Dort bleibt auch der Dauerbrenner Die Gerechten im Spielplan, nächster Termin ist der 23. Januar. Auch das Theaterhaus Jena spielt seine Inszenierung von Die Gerechten wieder am 30. und 31. Januar. Soweit bekannt, finden sich natürlich auch schon Termine über den Januar hinaus in der „Aktuelles“-Rubrik, die sich sicherlich auch in 2017 wieder kontinuierlich weiter füllen wird.

Außerdem ist noch ein Nachholtermin der Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen anzukündigen, der im November verschoben werden musste: Der Abend zum Thema Die „ecrits de jeunesse“ von Albert Camus findet jetzt am 13. Januar statt. Oliver Victor und Professor Christoph Kann von der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, stellen die Jugendschriften von Albert Camus erstmals in deutscher Übersetzung vor. Beginn ist um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Backhaus, Jakobstr. 13, in Aachen (Eintritt frei). Mehr zu dieser Veranstaltung hier im Blog.

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„Wie wir verschwinden“ – Das Camus-Jahr 2017 beginnt mit einer Hörspiel-Empfehlung

Ein neues Jahr ist für mich immer wie ein Buch mit lauter leeren Seiten. Schöne weiße, noch unbefleckte Seiten in einem Buch, die darauf warten, dass ich etwas hineinschreibe. Noch ist alles offen in diesem Tagebuch des Lebens – für Freude, Traurigkeit, Schönes und Schreckliches, Bewegendes und Beglückendes, für Begegnungen und neue Erfahrungen aller Art. Mit Neugier und freudiger Erwartung blicke ich dem entgegen. Für Besorgnisse, Befürchtungen und Beschwörungen drohenden Unheils bin ich, egal wie realistisch es sein mag, zu Beginn eines neuen Jahres noch weniger zu haben als sonst. Denn ganz gleich wie es werden wird: Es ist, wenn wir Glück haben, ein Jahr Leben. Natürlich wünsche ich mir und allen Blog-Leserinnen und Camus-Freunden (und überhaupt allen Menschen) gleichwohl, es möge ein gutes Jahr werden, in dem für jeden auf seine Art Glück und Freude überwiegen. Wünschen schadet ja schließlich auch nicht. In diesem Sinne: Bonne année à tous! Ich freue mich, wenn Sie 365tage-camus.de auch in diesem Jahr wieder begleiten!

Und so geht es gleich los mit einem aktuellen Programmhinweis:  Zum Todestag von Albert Camus sendet der NDR das Hörspiel Wie wir verschwinden nach dem gleichnamigen Roman von Mirko Bonné, in dessen Zentrum der Autounfall steht, bei dem Camus am 4. Januar 1960 gemeinsam mit seinem Freund Michel Gallimard ums Leben kam. Mirko Bonné lässt zwei Jungen Zeugen des Unfalls nahe des kleinen Dörfchens Villeblevin werden, dicke Freunde, die das Leben mit den Jahren von einander entfernen wird. Nach Jahrzehnten des Schweigens erhält der eine, Raymond, einen Brief seines todkranken Jugendfreundes Maurice, der ihn in die gemeinsam erlebte Vergangenheit zurückversetzt.

An Details des Romans erinnere ich mich gerade nicht, wohl aber daran, das Buch bei seinem Erscheinen mit großer Freude gelesen zu haben – weshalb ich mich freue, nun in Form eines Hörspiels noch einmal in diese Geschichte einzutauchen.

Termin: Mittwoch, 4. Januar 2017, 20 bis 21:01 Uhr (NDR 2012 | 55 Min).
Wie wir verschwinden
Nach einem Motiv aus dem gleichnamigen Roman von Mirko Bonné
Komposition: Sabine Worthmann
Bearbeitung und Regie: Oliver Sturm
Mit Heinrich Giskes, Hedi Kriegeskotte u.v.a.
Musik: Silke Eberhard und Philipp Eberhard

Infos: www.ndr.de

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Albert Camus und Bob Dylan erhalten den Literaturnobelpreis

 

Philosophenzimmer im Kunsthotel Arte Luise in Berlin mit Dostojewski und Bob Dylan, gemalt von Oliver Jordan (links über dem Sofa). ©Foto: Anne-Kathrin Reif

Philosophenzimmer im Kunsthotel Arte Luise in Berlin:
Gegenüber von Camus hängen Dostojewski und Bob Dylan,
gemalt von Oliver Jordan (links über dem Sofa). ©Foto: akr

Manchmal braucht man ja nur lang genug zu warten, dann klären sich die Dinge von selbst. Fast genau drei Jahre ist es nämlich her, dass ich an dieser Stelle darüber grübelte, welche sinnträchtige Verbindung es zwischen Albert Camus und Bob Dylan geben könnte – traf ich doch bei einer Übernachtung in dem von Oliver Jordan ausgestatteten Philosophen-Zimmer im Berliner Art Hotel Luise dort nicht nur auf Camus sondern eben auch auf ein Porträt des Robert Allen Zimmerman, alias Bob Dylan. Heute nun stellt sich diese Verbindung quasi von selbst her, denn auf den Tag genau 59 Jahre nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an Albert Camus darf am heutigen 10. Dezember Bob Dylan in Stockholm die höchste Auszeichnung der literarischen Welt entgegen nehmen. Wie’s aussieht wird er das zwar nicht persönlich tun und deshalb auch nicht etwa singen statt reden. Schade. Aber immerhin soll Patti Smith, bekennende Camus-Freundin, einen Dylan-Song vortragen, und damit hätten wir dann auch schon mal, quasi über Eck, eine schöne Dylan-Camus-Verbindung.

Camus-Porträt von Oliver Jordan im Kunsthotel Arte Luise in Berlin. ©Foto: akr

Camus-Porträt von Oliver Jordan im
Kunsthotel Arte Luise in Berlin. ©Foto: akr

Ob der erste Musiker und Vertreter der Popkultur in der Reihe der Preisträger die Auszeichnung nun verdient habe oder nicht, darüber ist bereits überreichlich debattiert (sowie gejubelt, gespottet, geätzt) worden, da brauchen wir uns nicht einreihen, wer mag, kann sich damit ein Stündchen im Netz vertrödeln. Das tat ich gerade und beschloss daraufhin, das Thema hier zu streichen und lieber nochmal der Frage nachzugehen, wie es denn nun um die Beziehung von Dylan und Camus bestellt ist. Geistesverwandtschaftliche Bezüge lassen sich da wohl erkennen: Dylan, quasi der Erfinder des Protestsongs, Rebell gegen die herrschenden Verhältnisse, gegen Krieg, Not und Unrecht – ein homme révolté wie Camus, der, ebenso wie Camus, Generationen von Menschen inspiriert und ermutigt hat, für ihre Überzeugung einzustehen. Anders als zum Beispiel die Musikerkollegen Patti Smith oder Eric Andersen hat sich Dylan aber, soweit ich weiß, nie direkt auf Camus als Inspirationsquelle bezogen (selbst mit Like a rolling stone ist, so schön es auch wäre, nicht der herabrollende Stein des Sisyphos gemeint). Aber so richtig weiß ich es halt auch nicht, denn obwohl ich durchaus noch zu denen zähle, die einst am Lagerfeuer zur Klampfe Blowin‘ in the Wind und Knockin‘ on heavens door sangen, kenne ich mich in dem gigantischen Werk seiner lyrics, für das er nun diesen Preis bekommt, nicht annähernd so gut aus, dass ich ad hoc eventuell verborgene Camus-Bezüge darin ans Licht befördern könnte.

Theo Roos. ©privat

Theo Roos. ©privat

Deshalb frage ich lieber jemanden, der es möglicher Weise besser weiß: Theo Roos, in Köln lebender Philosoph und Musiker, Autor der Philosophischen Vitamine (Kiepenheuer & Witsch 2005 und 2007) sowie der gleichnamigen Reihe in der 3Sat-Kulturzeit (2003 bis 2010) hat über Camus ebenso geschrieben wie über Bob Dylan, kennt sich also aus, erinnerte sich an unsere Begegnung am Rande der Camus-Ausstellung von Oliver Jordan in Bonn und war so nett, meine Fragen in aller Ausführlichkeit zu beantworten, wofür ich mich sehr herzlich bedanke!


Gibt es direkte Bezüge in den Texten von Bob Dylan zum Werk bzw. zum Denken von Albert Camus? Und wo sehen Sie selbst Gemeinsamkeiten zwischen beiden?
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