Wieder ist ein dickes Buch anzuzeigen, und ich muss gestehen, dass es mich diesmal aus ebenso naheliegenden wie eigennützigen Gründen besonders freut: Es ist nämlich auch ein Aufsatz von mir drin (und ich habe ziemlich lange darauf gewartet…). Albert Camus oder der glückliche Sisyphos – Albert Camus ou Sisyphe heureux versammelt die Vorträge eines Symposiums, welches Willi Jung, Akademischer Direktor des Instituts für Romanistik an der Universität Bonn, 2010 ebendort zum 50. Todestag von Camus organisiert hat, ergänzt durch einige Gastbeiträge. Darunter meiner: Vom Absurden zur Liebe – der unbekannte Camus – der Vortrag, den ich beim Wuppertaler Festival „Camus lebt!“ 2010 im hiesigen Schauspielhaus gehalten habe.
Der Band versammelt auf rund 450 Seiten 23 Beiträge in deutscher und (zu etwa einem Drittel) in französischer Sprache, sowohl von internationalen Camus-Forschern wie von „passionierten Lesern“, wie Willi Jung im Vorwort schreibt. Da ich im Autorenverzeichnis nicht mit meiner Dissertation über Camus sondern nur als „Kulturredakteurin beim Remscheider General-Anzeiger“ vermerkt bin, vermute ich mal, dass ich zu letzteren gerechnet werde. Ich nehme es mit einem Lächeln zur Kenntnis, offenbar kommt man ohne Schubladen im deutschen Denken schwer aus. Und passionierte Leserin bin ich ja, wie jeder Blog-Leser inzwischen bemerkt haben dürfte, auf jeden Fall. In dem Sammelband befinde ich mich jedenfalls in guter Gesellschaft etwa von Maurice Weyembergh (der über Camus et Dostoïevski schreibt), von Rupert Neudeck (der über Die Pest als Vorbild für seine humanitäre Arbeit berichtet), von Lou Marin (der Camus und seine libertäre Kritik der Gewalt in den Blick nimmt) oder von Brigitte Sändig (die aus eigener Erfahrung von der Rezeption Camus‘ in der DDR und in den osteuropäischen Ländern zu berichten weiß).
Grob geordnet sind die Beiträge in drei Teile: I. Engagement: Philosophie, Ethik und Politik (darunter Beiträge über Camus und der Terrorismus, Camus im kolonialen Algerien der 30er Jahre, Albert Camus und das Christentum); II. Ästhetik: Narrativik und Dramatik (hier schreibt etwa Willi Jung unter dem Titel Schuld und Gedächtnis über Der Fall), und III. Tradition und Moderne: Rezeption und Intertextualität (u.a. mit den erwähnten Aufsätzen von Sändig und Weyembergh, einer Studie über Camus und der griechische Mythos und einer Bilanz der Camus-Rezeption in Deutschland nach 1945). Viel Lesestoff, von dem einiges sicherlich eher für professionelle Camus-Spezialisten von Interesse sein dürfte, der aber andererseits auch einen guten Überblick über viele wichtige Themen im Camus-Kosmos und über die Camus-Forschung selbst verspricht.
* Willi Jung (Hg.): Albert Camus oder der glückliche Sisyphos – Albert Camus ou Sisyphe heureux (Bd. 4 der Reihe Deutschland und Frankreich im wissenschaftlichen Dialog). Bonn University Press/ V & R unipress, Göttingen 2013, 460 Seiten, geb., 59,99 Euro.