Auch in absurder Welt gibt es ja immer wieder einmal diese Momente, die nach glücklicher Fügung aussehen. So, wenn nach einem wenig erfreulich verlaufenen Tag beim Heimkommen am Abend ein Päckchen im Briefkasten wartet, und schon die vertraute Handschrift auf dem Einwickelpapier das Herz höher schlagen lässt. Meine freudige Vorahnung bestätigt sich beim Auspacken: Wolfgang Janke schickt mir sein vor kurzem erschienenes, hier im Blog schon angekündigtes Buch, versehen mit einer lieben Widmung. Aber es ist nicht nur die Freude über das Geschenk und die Dankbarkeit der ehemaligen Studentin für den lebenslangen Lehrer, welche dem Tag am Ende doch noch ins Positive wenden. Zur glücklich empfundenen Fügung wird der Moment gerade nur durch genau dieses Buch: Fragen, die uns angehen, ist sein prägnanter Titel, und es enthält 16 philosophische Traktate über das sterbliche Dasein, die präzisierte Welt und den verborgenen Gott, wie der Untertitel erklärt. Mit einem Schlag öffnet sich für mich der im Alltag eng gewordene Horizont, und eine zumindest an diesem Tag vergessene Weite weht mich an: Es sind andere, größere Fragen, die uns wirklich angehen als die, mit denen ich mich gerade herumschlage. Und so danke ich Wolfgang Janke nicht nur sehr herzlich für das Geschenk, sondern auch dafür, dass er mich auf diesem Wege daran erinnert.
Wolfgang Janke hat seinem neuesten Buch eine launige Widmung vorangestellt: Zugeeignet ist es seiner Frau Dr. Petra Janke, „die mich mahnte, endlich ein philosophisches Buch zu schreiben, das man auch versteht, und Fragen zu traktieren, die uns angehen – einst wie jetzt.“ Letzteres hat Wolfgang Janke freilich immer schon getan, die Sprache seiner bisherigen Bücher, in denen er diesen Fragen nachgegangen ist, konnte jedoch bisweilen ein Abstraktionsniveau erreichen, welches auch den philosophisch sehr gebildeten Leser herausfordert. Und so dürfen wir uns freuen, dass der Autor die Mahnung seiner Frau offenbar ernst genommen hat, und nun zwar kein philosophisches Laien-Lesebuch à la Richard David Precht vorlegt, aber doch auf knapp 200 Seiten und aufgeteilt in eben jene 16 „Traktate“ seine tiefgründige Analyse unseres präzisierten Daseins im (immer noch) Zeitalter des Nihilismus in etwas leichter verdaulicher Form serviert.
Aber machen wir uns nichts vor (das „wir“ meint hier „ich“): Eine leichte Bettlektüre wird es nicht, denn die „Prüfung, wie uns Lebensfragen in Wahrheit angehen“, das „Beleuchten der Nihilismuskrise“, die Frage, wie der Abweg ins Unmenschliche entstand („Zur Genealogie des Holocaust“), die Gedanken zur „Welt der Arbeit und Technik“, zu „sozialer Gerechtigkeit und Solidarität in politisch-ökonomischer Welt“, zum „Ende der initialen Gottesfrage“ oder der „Umwertung sakraler Liebe“ (um nur einiges aus dem Inhaltsverzeichnis zu nennen), wollen ja nicht nur nach-gelesen sondern mit-gedacht werden. Ich beneide jetzt schon alle Leser und Leserinnen, die dazu mehr Zeit und Muße haben als ich… Eine baldige Besprechung des Buches in Aussicht zu stellen (und der Verortung des Camus’schen Denkens darin nachzufragen), wäre in meiner Lage schlicht unredlich. Als Vorblick deshalb hier nurmehr der Klappentext, der immerhin prägnant zusammenfasst, was uns bei der Lektüre erwartet:
„Sechzehn beziehungsreiche Traktate stellen nihilierte Grundfragen auf einem neuen Methodenweg wieder her. Die Frage nach der Bestimmung des Menschen geht auf die radikale Fraglichkeit unseres Daseins in Not und Tod zurück, um die Hybris des modernen Menschen und die Unmenschlichkeiten des „Übermenschen“ niederzuschlagen. Die Frage nach verkürzenden Präzisierungen unserer abendländischen Welt legt die Seinsverfassung der Welthorizonte von Arbeit und Technik, Ökonomie und Politik, aber auch von Mythos und Dichtung, Spiel und Sport frei, um das Unheil von Selbstendfremdungen zu heilen. Die Frage nach der Unerforschlichkeit Gottes führt Ehrfurcht, Vertrauen und Liebe als Zugang zum verborgenen Gott zusammen, um Götterferne, Seinsvergessenheit und Gottverlorenheit zu überwinden. Der Autor verlebendigt in weiten Durchblicken philosophisch verstummte Grundfragen, die uns sterbliche Tagwesen angehen – nach Heraufkunft des Europäischen Nihilismus heute bedrängender denn je.“
Wolfgang Janke: Fragen, die uns angehen. Philosophische Traktate über das sterbliche Dasein, die präzisierte Welt und den verborgenen Gott. Königshausen & Neumann, Würzburg 2016, 200 S., 34 Euro (ISBN 978-3-8260-5924-7). Bestell-Link zum Verlag hier
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