Camus im März: Caligula-Premiere in Düsseldorf und mehr

André Kaczmarczyk spielt Caligula am Düsseldorfer
Schauspielhaus. Foto: Thomas Rabsch

Die Vorschau auf das monatliche Programm der Bühnen, die Camus spielen, kommt für den März etwas früher, denn sonst droht die Gefahr, dass eh schon alles ausverkauft ist. Bei der Vorpremiere des Düsseldorfer Caligula am 14. März ist das nämlich schon der Fall. Für die Premiere am 17. März gibt es zurzeit noch Restkarten.

Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten am Schauspielhaus Düsseldorf ist nach denen von Christoph Mehler am Hessischen Staatstheater in Darmstadt, von Antú Romero Nunes am Berliner Ensemble und dem Prinzregenttheater Bochum (Jugendclub) die vierte Caligula-Interpretation in dieser Saison an deutschen Bühnen. Das überrascht nicht, denn die Geschichte um den jungen römischen Kaiser, der (aus Sicht seiner Untertanen) unversehens beginnt, seine unbegrenzte Macht auf die perfideste Art und Weise auszuspielen, bietet eine willkommene Folie, um die ebenso zeitlose wie hoch aktuelle Problematik von politischer Macht und Machtmissbrauch zu thematisieren. Aus Sicht von Camus‘ Caligula geht es freilich gar nicht um ein Sich-Berauschen an der eigenen Machtfülle sondern um etwas ganz anderes: Um nichts weniger nämlich als die Wahrheit. Und die Wahrheit ist: „Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich.“¹ Die Welt und unser Leben darin ist so, wie das Ganze eingerichtet ist, absurd. Caligula will seine Untertanen dazu zwingen, in dieser Wahrheit zu leben. Was aber bedeutet es unter diesen Vorzeichen, in der Wahrheit zu leben? Caligulas Machtausübung ist ein einziger großer Feldversuch, der dieser Frage mit unerbittlicher Logik nachgeht – und am Ende scheitert. Scheitern muss. Weil es für den Menschen nicht darum geht, die Widersprüche auszumerzen sondern gerade darum, mit ihnen zu leben.

Camus’ Caligula versteht sich als eine Art Pädagoge des Absurden. Er lebt ein grausames Experiment vor. Er meint zu demonstrieren, wie man frei sein und gleichzeitig ganz und gar konsequent, ja gar im Zeichen der Logik leben könne – und vor allem was es hieße, sich über die Götter mit ihren »blöden, unverständlichen Gesichtern« zu stellen,“ schreibt der Politologe Jan-Werner Müller in einem klugen Beitrag im Spielzeitheft und fragt: „Enthüllen die »starken Männer« unserer Tage irgendeine Wahrheit?“ Die Antwort lautet: Nein. „Sie verwandeln nicht Philosophie in Leichen; sie erteilen keine Lehren in Sachen Freiheit und Logik. Sie versuchen nur, ihre eigenen Realitäten zu schaffen.“²

Das ist nur einer der vielen Ankerpunkte, die das Stück für das Nachdenken über heutige Verhältnisse ebenso bietet wie für das Nachdenken über die zeitunabhängigen Bedingtheiten der condition humaine. An welchen Punkten eine Inszenierung von Camus‘ Caligula andockt, welche Akzente sie setzt und welche Bildsprache sie für diese Themen findet, ist natürlich stets die spannende Frage.

In Düsseldorf inszeniert Sebastian Baumgarten, „seit zwanzig Jahren einer der beständigsten und profiliertesten Theater- und Opernregisseure, dessen Arbeiten sich durch die Frischheit ihrer Ideen und eine hohe politische Bewusstheit auszeichnen“, wie es in der Ankündigung heißt. Die Titelrolle verkörpert der jüngst mit dem Publikumspreis »Gustaf« ausgezeichneten junge Schauspieler André Kaczmarczyk.

TERMINE
Premiere am 17. März, 19.30 Uhr, 19 Uhr Premiereneinführung mit dem Intendanten. Weitere Vorstellungen: 29. März, 19.30 Uhr (Einführung 18.45 Uhr), 4. April, 19.30 Uhr.
Achtung: Gespielt wird aufgrund von Sanierungsmaßnahmen und einer Baustelle nicht im Düsseldorfer Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz sondern im Central, Worringer Straße 140, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Infos und Karten 

 

Weitere Theatertermine im März

Caligula, Berliner Ensemble (BE), Inszenierung: Antú Romero Nunes (Premiere: 21. September 2017): 28.März.

CaligulaPrinzregenttheater Bochum, eine Inszenierung von Clara Nielebock mit den „Jungen Prinze*ssinnen 15+“ (Jugendclub des Theaters) (Premiere: 4. November 2017): 20. und 21. März. Infos

Das MissverständnisDeutschen Theater Berlin, Regie: Jürgen Kruse (Premiere: 3. Dezember 2017): 10. März.

Das Missverständnis, Figurentheater Ravensburg e.V., (Premiere: 29. Oktober 2016): 24. März (21. April).

Der FallEuro Theater Central in Kooperation mit der Tanzkompanie bo komplex, (Premiere: 14. September 2017): 12. und 13. März.

Der Fremde, Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin. Regie: Philipp Preuss (Premiere: 13. November 2016): 7. und 8. März. Infos

Der Fremde, Societaetstheater Dresden, Regie: Arne Retzlaff (Premiere: 22. April 2017): 1. März.

Die Gerechten, Staatsschauspiel Hannover, Regie: Alexander Eisenach (Premiere: 23. Februar 2017): 11. März.

Die Gerechten, Hessisches Landestheater Marburg, Regie: Marc Becker (Premiere: 27. Januar 2018): 3. und 6. März.

Die Gerechten, Oldenburgisches Staatstheater, Regie: Peter Hailer (Premiere: 25. Februar 2017): 10., 15. und 23. März.

 

¹Albert Camus, Caligula, in: Dramen. Aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1962, S. 21. ² Link zum Beitrag auf der Webseite des Schauspielhauses Düsseldorf.

 

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2 Antworten zu Camus im März: Caligula-Premiere in Düsseldorf und mehr

  1. Willy Stucky sagt:

    Seit Soziologen, Psychologen, Politologen und selbstverständlich auch Soziologinnen, Psychologinnen und Politologinnen unsere Klassiker inszenieren und/oder interpretieren, haben wir ein Problem, das die meisten Menschen gar nicht wahrnehmen: Die Literatur ist zweitrangig geworden.
    Camus‘ Caligula ist doch keine historische Figur, und Camus ist kein Historiker, geschweige denn ein Politologe, Soziologe oder Psychologe. Camus ist ein französischer Schriftsteller. Seine belletristischen Arbeiten sind keine wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern Kunstprodukte sui generis.
    Grosse Literatur wäre im Grunde eine ausserordentlich gute Denkschule, so wir dies denn wollten. Doch offensichtlich ziehen wir ihr selbst auf der Bühne mit Brimborium kaschierte wissenschaftliche Abhandlungen vor. Kein Wunder, dass alle Bühnen subventioniert werden müssen. Dies ist nur die Folge der Geringschätzung der Autoren und Schauspieler und selbstverständlich auch der Autorinnen und Schauspielerinnen.
    Einigen Zuschauern mag es Vergnügen bereiten, dass ein Trump an den Haaren herbeigezerrt wird. Aber dies ist doch kein Inhalt – ob Trump oder Merkel …

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Lieber Herr Stucky, vielen Dank für Ihren Kommentar. Aus meiner Sicht geht Ihre Kritik in diesem Fall aber ein wenig an der Sache vorbei. Natürlich ist Camus‘ Caligula keine historische sondern eine literarische Figur – aber eben eine, die für die Theaterbühne gedacht war, wie der gesamte Text. Insofern bedarf er IMMER der bildhaften Gestaltung in Zeit und Raum und der Verkörperung durch lebende Menschen – und das bedeutet zwangsläufig Interpretation. Wissenschaftliche Abhandlungen, kaschiert oder nicht, bedarf es dafür auf der Bühne nicht – und die sehe ich (obwohl häufige Theatergängerin) dort auch höchst selten. Auch Mr. Trump ist meines Wissens in den aktuellen Caligula-Inszenierungen nicht herbeigezerrt worden. Eine außerordentlich gute Denkschule bleibt Camus‘ Caligula m.E. so oder so – auch an einer Inszenierung, deren Ansatz man nicht teilt, kann man ja das eigene Denken schärfen. Die Frage der Theatersubventionen lassen wir dabei besser mal beiseite – dies führt hier wirklich zu weit. Ob ich die Düsseldorfer Version für gelungen halte oder nicht, werden Sie nach meinem Premierenbesuch hier erfahren, wenn Sie mögen. Für Sie ein schönes Wochenende! Mit freundlichem Gruß, Anne-Kathrin Reif

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